Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
so, als nähme man an drei Führungen
    gleichzeitig teil.
    »Das hier ist die Bettlergilde«, sagte er. »Sie ist die älteste al er Gilden.
    Nur wenige Leute wissen das.«
    »Tatsächlich?«
    »Die meisten glauben, die Gilden der Narren und Assassinen seien äl-
    ter. Aber das stimmt nicht. Die Institute der Narren und Assassinen
    gibt’s erst seit recht kurzer Zeit. Doch die Bettlergilde ist bereits viele Jahrhunderte alt.«
    »Im Ernst?« erwiderte Angua müde. In der letzten Stunde hatte sie
    mehr über Ankh-Morpork erfahren, als eine normale, vernünftige Person
    wissen wol te. Sie ahnte, daß Karotte ihr den Hof machte. Doch er
    brachte ihr keine Blumen oder Pralinen; er bot ihr eine ganze Stadt als
    Geschenk dar.
    Sie spürte sogar Eifersucht in ihr erwachen. Eifersucht auf eine Stadt!
    Bei den Göttern! dachte sie. Ich kenne ihn doch erst seit einigen Tagen.
    Ankh-Morpork schien ein Teil von ihm zu sein. Sie rechnete fast da-
    mit, daß er jeden Augenblick ein Lied mit verdächtigen Reimen und
    Textpassagen singen würde wie zum Beispiel: »Meine Art von Stadt«
    oder »Ich möchte dazugehören«. Lieder, die Leute dazu veranlassen,
    spontan in den Straßen zu tanzen, mit einzustimmen und dem Sänger
    Äpfel zu reichen. In solchen Fäl en zeigen gewöhnliche Mädchen plötz-
    lich erstaunliches choreographisches Geschick. Al e sind fröhlich und

    vergessen, daß die Natur sie in Wirklichkeit mit einem bösen, gemeinen,
    egoistischen, hinterhältigen und rücksichtslosen Wesen ausgestattet hat.
    Wenn Karotte al erdings hier ein Lied gesungen hätte, wären die Leute
    tatsächlich bereit gewesen, mit einzustimmen. Selbst sonst völlig phlegma-tische Markierungssteine hätten sich von Karotte dazu bewegen lassen,
    eine Rumba zu tanzen.
    »Auf dem Haupthof gibt es einige sehr interessante Statuen«, sagte er.
    »Darunter ein Bildnis des Bettlergottes Jimi. Ich zeig’s dir. Die Bettler haben bestimmt nichts dagegen.«
    Er klopfte an die Tür.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Angua.
    »Es macht mir keine Mühe…«
    Die Tür öffnete sich.
    Angua erzitterte innerlich, als ihr ein sonderbarer Geruch in die Nase
    stieg…
    Ein Bettler musterte Karotte und riß die Augen auf.
    »Du bist der Gebeugte Michael, nicht wahr?« fragte Karotte freundlich.
    Die Tür fiel wieder zu.
    »Das war nicht sehr höflich«, stellte Karotte fest.
    »Es stinkt, nich’ wahr?« erklang eine leise, spöttische Stimme hinter
    Angua. Zwar lag ihr immer noch nichts daran, Gaspode Aufmerksamkeit
    zu schenken, trotzdem nickte sie. Die Bettler verströmten eine Vielzahl
    verschiedener Gerüche, und der zweitstärkste kündete von Furcht. Der
    stärkste stammte von Blut. Bei diesem Geruch hätte Angua am liebsten
    geheult.
    Stimmen murmelten hinter der Tür. Kurze Zeit später öffnete sie sich
    erneut.
    Eine ganze Gruppe aus Bettlern stand auf der anderen Seite. Al e starr-
    ten Karotte an.
    »Na schön«, sagte der Gebeugte Michael. »Wir geben auf. Wie hast du’s
    herausgefunden?«
    »Wie haben wir was herausge…«, begann Karotte. Anguas Ellenbogen
    traf seine Rippen.

    »Hier wurde jemand getötet«, stellte sie fest.
    »Wer ist das?« fragte Gebeugter Michael.
    »Obergefreite Angua gehört zur Wache«, sagte Karotte.
    »Har, har«, kommentierte Gaspode.
    »Eins muß ich zugeben«, brummte Gebeugter Michael. »Ihr werdet
    immer besser. Wir haben die Leiche erst vor wenigen Minuten entdeckt.«
    Angua spürte, daß Karotte den Mund öffnen wol te, um zu fragen:
    »Welche Leiche.« Sie stieß ihn wieder an.
    »Bringt uns zum Ermordeten«, sagte sie.
    Wie sich herausstellte…
    … war es eine Ermordete. Sie lag auf dem Boden eines Zimmers im
    obersten Stock, umgeben von Lumpen.
    Angua kniete sich neben die Leiche. Diese Bezeichnung erschien ihr
    angemessen. Es war ein Leichnam, keine Person mehr. Eine Person hat-
    te normalerweise mehr Kopf auf den Schultern.
    »Warum?« fragte sie. »Warum sollte jemand so etwas tun?«
    Karotte sah zu den Bettlern, die sich in der Tür drängten.
    »Wie heißt das Opfer?«
    »Nimmer Niedlich«, antwortete Gebeugter Michael. »Sie war nur die
    Zofe der Königin Mol y.«
    Angua blickte zu Karotte.
    »Königin?«
    »Das Oberhaupt einer Bettlergemeinschaft wird manchmal König oder
    Königin genannt«, erklärte der junge Mann. Er atmete schwer.
    Angua bedeckte die Leiche mit dem Samtmantel der Zofe.
    »Nur die Zofe«, murmelte sie.
    Mitten auf dem Boden lag der Rahmen eines großen Spiegels. Überall
    waren

Weitere Kostenlose Bücher