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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erwiderte der Patrizier. »Ich verstehe. Wenn man eine Feder in
    der einen Richtung aufzieht, setzt sie ihre Kraft in der anderen frei. Und manchmal muß man die Feder fester als sonst aufziehen, wodurch man
    riskiert, daß sie bricht.«
    Vetinaris Gesichtsausdruck veränderte sich.
    »Meine Güte«, sagte er.
    »Bitte?« fragte Leonard.
    »Er hat nicht an die Wand geklopft. Viel eicht bin ich diesmal zu weit
    gegangen.«

    Detritus saß im Fleischlager und dampfte. Er verspürte Appetit, aber
    nicht nach etwas Eßbarem, sondern nach neuen Dingen, über die es
    nachzudenken lohnte. Mit sinkender Temperatur nahm die Effizienz
    seines Gehirns immer mehr zu. Und es brauchte Dinge, mit denen es
    sich beschäftigen konnte.
    Er berechnete die Anzahl der Ziegelsteine in der nächsten Mauer und
    wechselte dabei mehrmals die Basis des Zahlsystems: zwei, zehn und
    schließlich sechzehn. Die Zahlen formten sich von ganz allein und mar-
    schierten stolz an seinem inneren Auge vorbei. Detritus entdeckte Divi-
    sion und Multiplikation. Er erfand für sich persönlich die Algebra, die
    ihn ein oder zwei Minuten lang ablenkte. Dann lichtete sich der Nebel
    aus Zahlen, und als er den Blick hob, offenbarten sich ihm die funkeln-
    den, fernen Berge des Infinitesimalkalküls.
    Trolle lebten in hohen, felsigen und vor allem kalten Regionen. Ihre Si-liziumgehirne waren an niedrige Temperaturen gewöhnt. Tief unten im
    Flachland war es immer warm, und dadurch wurden sie… dumm. Es
    brachen keineswegs dumme Trolle nach Ankh-Morpork auf, im Gegen-
    teil: Solche Entscheidungen reiften in den klügeren Exemplaren. Doch
    die Stadt machte sie dumm.

    Detritus galt selbst nach den Maßstäben der Trolle in Ankh-Morpork
    als debil. Eine Laune der Evolution hatte sein Gehirn für den Einsatz bei einer Temperatur vorgesehen, die in der Stadt nicht einmal während eines besonders kalten Winters herrschte.
    Jetzt war die Idealtemperatur für Detritus’ Hirn fast erreicht. Leider
    hatte die Evolution vergessen, den Rest seines Körpers entsprechend
    anzupassen: Während Detritus immer schnel er und besser dachte, nä-
    herte sich ihm der Tod.
    Ein Teil seines Bewußtseins befaßte sich mit diesem Problem. Seine
    Rettung war sehr wahrscheinlich. Was bedeutete, daß man ihn von die-
    sem Ort fortbrachte. Was bedeutete, daß er wieder dumm wurde. Das
    war so sicher wie 10-3 (Me/Mp)α6αG–½N˜10N.
    Deshalb hielt er es für angemessen, das Beste aus seiner Situation zu
    machen.
    Er kehrte in eine Welt aus Zahlen zurück, die so komplex waren, daß
    sie nur vorübergehend Bedeutung hatten. Und der Zeitpunkt des Erfrie-
    rens rückte immer näher.

    Schnapper erreichte die Fleischergilde kurz nach Knuddel. Die große
    rote Tür war aufgebrochen worden; hinter der Schwelle saß ein kleiner
    Fleischer und rieb sich die Nase. »Wohin ist er gegangen?«
    »Er is’ gelaufen. Un’ zwar dorthin.«
    Im großen Saal der Gilde wankte der Meisterfleischer Gerhardt Socke
    im Kreis. Knuddels Stiefel ruhten auf seiner Brust. Der Zwerg hing an
    der Weste des Mannes wie ein Segler, der im Sturm laviert. Er schwang
    die Axt dicht vor Sockes Gesicht.
    »Gib ihn mir, jetzt sofort! Sonst zwinge ich dich, deine eigene Nase zu
    essen!«
    Einige Fleischerlehrlinge versuchten, nicht im Weg zu sein.
    »Aber…«
    »Widersprich mir nicht! Ich bin ein Wächter!«
    »Aber du…«
    »Ich gebe dir eine letzte Chance: Rück ihn endlich raus!«

    Socke schloß die Augen.
    »Was wil st du?«
    Die Zuschauer warteten gespannt.
    »Ah«, sagte Knuddel. »Ahaha. Habe ich das nicht gesagt?«
    »Nein!«
    »Ich bin ziemlich sicher, daß ich dir einen Hinweis gegeben habe.«
    »Das wäre mir bestimmt aufgefallen.«
    »Na schön. Ich brauche den Schlüssel für das Zukunftsschweinlager,
    wenn du’s unbedingt wissen willst.« Knuddel sprang zu Boden.
    »Warum?«
    Die Axt erschien wieder vor Sockes Nase.
    »War nur eine Frage«, sagte Socke hastig. Verzweiflung zitterte in sei-
    ner leisen Stimme.
    »Ein Mann der Wache erfriert dort«, erklärte Knuddel.

    Es hatte sich Publikum eingefunden, als es ihnen schließlich gelang, die
    große Tür zu öffnen. Eisklumpen fielen auf den Boden und brachen
    klirrend auseinander. Kalte Luft strömte aus dem Gebäude.
    Rauhreif bedeckte den Boden und die vielen Fleischkörper bei ihrer
    Reise rückwärts durch die Zeit. Er bedeckte auch einen detritusförmigen
    Haufen in der Mitte des großen Raums.
    Sie trugen ihn nach draußen in den Sonnenschein.
    »Ist

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