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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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es zu einer Kettenreaktion. Kurze Zeit später blinzelt
    jemand im Scheinwerferlicht eines Fernsehstudios und fragt sich ver-
    wirrt, wie er auf die Idee gekommen ist, Brot fertig geschnitten zu ver-
    kaufen.
    Leonard da Quirm wußte über Inspirationen Bescheid. Eine seiner er-
    sten Erfindungen war eine geerdete Schlafmütze aus Metal – er hoffte,
    damit vor den verdammten Ideen geschützt zu sein, die dauernd sein
    Bewußtsein quälten. Es klappte nur selten. Meistens fand er morgens
    nach dem Erwachen diverse nächtliche Notizen, zum Beispiel Zeich-
    nungen neuer Waffen oder erste Entwürfe für Apfelschälmaschinen.
    Der Familie da Quirm mangelte es nicht an Geld. Leonard hatte viele
    gute Schulen besucht. Dort saugte er Wissen auf, trotz seiner Ange-
    wohnheit, aus dem Fenster zu starren und Skizzen vom Flug der Vögel
    anzufertigen. Er gehörte zu jenen unglücklichen Individuen, deren
    Schicksal es ist, von der Welt und allem Existierenden fasziniert zu sein, die den Dingen ständig auf den Grund gehen wol en, ob es ihnen paßte
    oder nicht…
    Leonard übte seinerseits Faszination aus, zum Beispiel auf Lord Veti-
    nari, was den Umstand erklärte, daß er noch lebte. Wenn man etwas
    Einzigartiges zerstörte, ging es für immer verloren. Davor schreckte
    selbst jemand wie der Patrizier zurück.
    Leonard war der ideale Gefangene. Wenn man ihm genug Holz, Draht,
    Farbe sowie Papier und Stifte gab, war er die ganze Zeit über brav.
    Lord Vetinari schob einige Zeichnungen beiseite und setzte sich.
    »Die sind ausgezeichnet«, sagte er. »Was stellen sie dar?«
    »Karikaturen«, erwiderte Leonard.

    »Die von dem Jungen, dessen Drachen in einem Baum steckt, ist gut«,
    stellte der Patrizier fest.
    »Danke. Sol ich uns Tee kochen? Ich bekomme nur selten Besuch, ab-
    gesehen von dem Mann, der die Türangeln ölt.«
    »Ich bin gekommen, um…«
    Der Patrizier unterbrach sich und deutete auf eine andere Zeichnung.
    »Da klebt ein Stück gelbes Papier dran«, sagte er. Mißtrauen erwachte
    in ihm. Er zog daran. Das Papier löste sich von der Zeichnung – und
    blieb an seinen Fingern kleben. Leonards krakelige Handschrift hatte es
    mit folgender Botschaft versehen: ».neppalk uz tniehcs sE: reipapzitoN«
    »Darauf bin ich echt stolz«, sagte Leonard. »Ich nenne es ›Praktische-
    Zettel-um-Notizen-zu-schreiben-die-Dinger-kleben-fest-aber-man-kann-
    sie-wieder-lösen‹.«

Der Patrizier betrachtete den gelben Zettel.
    »Woraus besteht der Klebstoff?«
    »Aus gekochten Nacktschnecken.«
    Lord Vetinari zog den Zettel von seiner Hand ab, woraufhin er an der
    anderen festklebte.
    »Bist du deswegen hier?« fragte Leonard.
    »Nein«, erwiderte der Patrizier. »Ich bin gekommen, um mit dir über
    das Gfähr zu sprechen.«
    »Oh, die Sache tut mir sehr leid.«
    »Ich fürchte, das Objekt ist… abhanden gekommen.«
    »Meine Güte. Ich dachte, du hättest es verschwinden lassen.«
    »Ich habe es den Assassinen gegeben, damit sie es zerstören. Immerhin
    sind sie stolz auf die künstlerische Qualität ihrer Arbeit. Die Vorstellung, daß jeder über eine solche Macht verfügen könnte, müßte sie eigentlich zutiefst entsetzen. Aber die verdammten Narren haben das Ding behalten. Sie glaubten, es sicher einschließen zu können. Und jetzt ist es weg.«
    »Sie haben es nicht zerstört?«
    »Nein, offenbar nicht.«
    »Ebensowenig wie du. Ich frage mich, warum.«

    »Ich… kenne den Grund nicht. Kannst du dir das vorstel en?«
    »Ich hätte es nie konstruieren dürfen. Es ist nur die Anwendung
    schlichter Prinzipien: Ballistik, einfache Aerodynamik, chemische Kraft.
    Die Legierung war ein Problem, genauso der gezogene Lauf. Dafür muß-
    te ich ein kompliziertes Werkzeug herstellen. Milch? Zucker?«
    »Nein, danke.«
    »Ich nehme an, man sucht danach, oder?«
    »Die Assassinen halten Ausschau. Aber sie werden das Gfähr nicht
    finden. Weil sie falsch denken.« Der Patrizier griff nach einigen Skizzen des menschlichen Skeletts. Sie stimmten in allen Einzelheiten.
    »Oje.«
    »Deshalb vertraue ich auf die Wache.«
    »Wohl besonders auf Hauptmann Mumm, den du schon einmal er-
    wähnt hast.«
    Lord Vetinari fand stets großen Gefal en an seinen Gesprächen mit
    Leonard. Der Erfinder sprach von der Stadt, als wäre sie eine ganz ande-
    re Welt.
    »Ja.«
    »Hoffentlich hast du ihm die große Bedeutung dieser Aufgabe klarge-
    macht.«
    »In gewisser Weise. Ich habe ihm zweimal verboten, Ermittlungen anzustellen.«
    Leonard nickte.

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