Helle Barden
Türen hervorzuspringen. Aber selbst damit war es ihm bisher nicht gelungen, den Quästor zu kurieren.
Die Trauungszeremonie sollte vom Dekan durchgeführt werden, der dafür sorgfältige Vorbereitungen getroffen hatte. Für die standesamtliche Heirat gab es in Ankh-Morpork kein traditionelles Ritual. Man beschränkte sich dabei auf Bemerkungen wie: »Na schön, wenn ihr unbedingt wollt…«
Der Dekan wandte sich Mumm zu und strahlte.
»Wir haben die Orgel extra geputzt«, sagte er.
»Hahaha, Orgel!« kommentierte der Quästor.
»Es ist eine besonders große und eindrucksvolle Orgel…« Ridcully winkte zwei jüngere Zauberer zu sich. »Bringt den Quästor fort und sorgt dafür, daß er sich ein wenig hinlegt. Ich glaube, er hat wieder Fleisch gegessen.«
Am anderen Ende des Großen Saals zischte es, dann erklang ein ersticktes Quieken. Mumm sah zu einer Anordnung geradezu monströser Pfeifen hoch.
»Acht Schüler bedienen die Blasebälge«, sagte Ridcully, während dumpfes Schnaufen ertönte. »Das Ding hat drei Tastaturen und hundert zusätzliche Knöpfe, darunter zwölf mit einem ›?‹.«
»Es scheint unmöglich, von einem einzelnen Menschen gespielt werden zu können«, erwiderte Mumm höflich.
»Nun, wir hatten da ein wenig Glück…«
Neue Geräusche hallten so laut durch den Saal, daß die Hörnerven sicherheitshalber abschalteten. Als sich die Ohren jenseits der Schmerzschwelle reaktivierten, vernahm Mumm die verzerrte Anfangsmelodie von Fondels »Hochzeitsmarsch«. Sie wurde mit unüberhörbarer Begeisterung von jemandem gespielt, der gerade entdeckt hatte, daß die Orgel nicht nur über drei Tastaturen verfügte, sondern auch über faszinierende akustische Spezialeffekte, von »Blähungen« bis hin zu »spaßiges Gackern«. Gelegentlich schallte ein anerkennendes »Ugh!« durch den Lärm.
Mumm hockte unter einem Tisch und rief Ridcully zu: »Bemerkenswert! Wer hat die Orgel konstruiert?«
»Auf dem Deckel steht ›A. B. Johnson‹!«
Ein wimmerndes Heulen kletterte die Tonleiter herab, darauf erklang ein Leierkasten. Dann war es wieder still.
»Zwanzig Minuten lang haben die Schüler Luft in die Druckkammern gepumpt.« Ridcully erhob sich und klopfte Staub vom Mantel. »Paß mit Vox Dei auf, in Ordnung?«
»Ugh!«
Der Erzkanzler sah Mumm an, dessen Gesicht die für werdende Ehemänner typische wächserne Grimasse zeigte. Inzwischen hielten sich schon recht viele Personen im Saal auf.
»Ich bin kein Fachmann für solche Dinge«, sagte er. »Aber hast du den Ring dabei?«
»Ja.«
»Wer ist der Brautvater?«
»Sybils Onkel Wirrenhaus. Er ist ein bißchen plemplem, aber sie bestand darauf.«
»Und der Brautführer?«
»Was?«
»Der Brautführer. Du weißt schon. Er reicht dir den Ring und muß die Braut heiraten, wenn du wegläufst. Der Dekan hat sich darüber informiert, nicht wahr, Dekan?«
»O ja«, bestätigte der Dekan, der den vergangenen Tag damit verbracht hatte, Lady Deirdre Wagens Etikettenbuch zu lesen. »Sobald sie hier erschienen ist,
muß
die Braut
jemanden
heiraten. Unverheiratete Bräute dürfen nicht einfach so durch die Gegend laufen, weil sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.«
»Den Brautführer habe ich völlig vergessen!« entfuhr es Mumm.
Der Bibliothekar saß noch immer an der Orgel und wartete darauf, daß sich die Druckkammern wieder mit Luft füllten. Jetzt drehte er sich hoffnungsvoll um.
»Ugh?«
»Besorg dir einen«, sagte Ridcully. »Du hast noch reichlich Zeit. Mindestens eine halbe Stunde.«
»So einfach ist das nicht! Brautführer wachsen wohl kaum auf Bäumen.«
»Uugh?«
»Wer käme in Frage?«
»
Uugh
!«
Der Bibliothekar wollte gern Brautführer sein. Als Brautführer durfte man die Braut küssen, und sie durfte nicht weglaufen. Deshalb war er sehr enttäuscht, daß Mumm ihn ignorierte.
Oberobergefreiter Knuddel stieg die Stufen im Kunstturm hinauf und brummte leise vor sich hin. Eigentlich hatte er keinen Grund, sich zu beschweren. Sie hatten das Los entscheiden lassen, denn Karotte war der Ansicht, daß man von den Männern nichts verlangen durfte, zu dem man nicht selbst bereit war. Knuddel zog dabei den kürzeren – er mußte auf das höchste Gebäude. Das bedeutete: Wenn’s unten in der Stadt Remmidemmi gab, fand das ohne ihn statt.
Er achtete nicht auf das dünne Seil, das von der Falltür weiter oben herabhing. Selbst wenn er es bemerkt hätte… Es war doch nur ein Seil…
Gaspode spähte in die
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