Helle Barden
Mittwochabend mache ich immer einen Abstecher zur Assassinengilde. Verschiedenes vom Grill, verstehst du?« Gaspode seufzte, als er die Verwirrung in Anguas Gesicht sah. »Am Mittwochabend brät der Koch immer dies und das – ›Verschiedenes vom Grill‹. Und stets bleibt die Blutwurst übrig. Ich gehe zur Küche, und dort spielt sich alles so ab: Wuff-wuff, bettel, bettel, o sieh nur den Hund, sitzt dort ganz brav, scheint jedes Wort zu verstehen, der Köter, mal sehen, was wir für ihn haben…«
Verlegen senkte er den Kopf.
»Stolz ist eine Sache, Wurst eine ganz andere«, fügte er hinzu.
»Feuerwerkskörper?« wiederholte Mumm.
Professor Kreuz wirkte wie jemand, der im sturmgepeitschten Meer die Hände nach einem vorbeitreibenden Baumstamm ausstreckt.
»Ja. Feuerwerkskörper. Zum Anlaß des… äh… Gründungstags. Leider hat jemand ein brennendes Streichholz weggeworfen, wodurch die Böller alle auf einmal hochgingen.« Professor Kreuz lächelte plötzlich. »Tja, mein lieber Hauptmann Mumm…« Er klatschte in die Hände. »Ich weiß deine Besorgnis natürlich zu schätzen, aber…«
»Die Feuerwerkskörper lagerten in dem Zimmer dort drüben?« fragte Mumm.
»Ja, doch das spielt eigentlich keine Rolle…«
Mumm trat an das Loch in der Wand und blickte in den Raum. Zwei Assassinen sahen zu Kreuz hinüber und tasteten unauffällig nach bestimmten Stellen an ihrer schwarzen Kleidung.
Das Oberhaupt der Gilde schüttelte den Kopf. Seine Vorsicht mochte etwas damit zu tun haben, daß Karotte die rechte Hand aufs Schwertheft legte. Vielleicht lag es auch einfach am Ehrenkodex der Assassinen: Sie hielten es für unehrenhaft, jemanden zu töten, ohne dafür bezahlt zu werden.
»Das scheint eine Art… Museum zu sein«, sagte Mumm. »Denkwürdigkeiten der Gilde und so?«
»Genau. Und so. Dies und das. Krimskrams. Du weißt schon: Dinge, die sich im Lauf der Zeit ansammeln.«
»Oh«, entgegnete Mumm. »Nun, ich glaube, hier ist alles in bester Ordnung. Entschuldige bitte, daß ich deine Zeit in Anspruch genommen habe, Professor. Ich hoffe, du hattest deshalb keine Unannehmlichkeiten.«
»Natürlich nicht! Es war mir eine Freude, dich zu beruhigen.«
Mit sanftem Nachdruck geleitete man die Wächter zum Tor.
»An eurer Stelle würde ich das Glas wegräumen«, sagte Mumm und sah sich noch einmal auf dem Platz um. »An den vielen Scherben könnte sich jemand verletzen. Und ich möchte nicht, daß jemand von euch zu Schaden kommt.«
»Wir schaffen hier sofort Ordnung, Hauptmann«, versprach Professor Kreuz.
»Gut, gut. Herzlichen Dank.« Im Tor verharrte Mumm noch einmal und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Oh, meine Güte, seit einiger Zeit ist mein Gedächtnis wie ein Sieb… Du hast von einem Diebstahl gesprochen. Was wurde gestohlen?«
In der Miene des Gildenoberhaupts rührte sich kein Muskel.
»Ich habe nichts als gestohlen gemeldet, Hauptmann.«
Mumm starrte ihn einige Sekunden lang an.
»Ach? Oh. Entschuldigung. Es liegt am Streß, nehme ich an. Zuviel Arbeit. Bis dann.«
Dicht hinter ihm fiel die große Tür ins Schloß.
»Also gut«, sagte Mumm.
»Hauptmann, was…«, begann Karotte. Mumm hob die Hand.
»Das wär’s dann wohl«, sagte er etwas lauter als nötig. »Es besteht kein Anlaß zur Sorge. Kehren wir zum Wachhaus zurück. Wo ist Obergefreite Wiehießsienoch?«
»Hier, Hauptmann«, sagte Angua und kam aus einer nahen Gasse.
»Hast dich versteckt, wie? Und was ist
das
?«
»Wuff-wuff, jaul-jaul.«
»Ein kleiner Hund, Hauptmann.«
»Meine Güte.«
Das Läuten der großen, korrodierten Inhumierungsglocke hallte durch den Gebäudekomplex der Assassinengilde. In Schwarz gekleidete Gestalten erschienen aus allen Richtungen, und in ihrer Hast, den Hof zu erreichen, stießen sie sich gegenseitig beiseite.
Vor dem Büro von Professor Kreuz versammelte sich der Gildenrat. Der Stellvertreter des Oberhaupts, Herr Witwenmacher, klopfte zaghaft an die Tür.
»Herein.«
Die Räte kamen der Aufforderung nach.
Kreuz’ Büro war der größte Raum im ganzen Gildenhaus. Besuchern erschien es immer falsch, daß es bei der Gilde so viele große und helle Zimmer gab. Dadurch wirkte das ganze Anwesen wie ein vornehmer Club und nicht wie ein Ort, an dem tagtäglich der Tod geplant wurde.
Fröhliche Jagdbilder hingen an den Wänden, doch wenn man genau hinsah, erkannte man, daß nicht etwa Füchse oder Hirsche die Beute waren. Kupferstiche, Radierungen und einige
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