Helle Barden
beschlösse, richtig zu regieren«, fügte Lady Selachii hinzu. »Aber er läßt den Leuten praktisch alles durchgehen.«
»Ich gebe zu, die alten Könige entsprachen nicht unbedingt unseren Vorstellungen, zumindest nicht die letzten«, sagte der Herzog von Eorle. »Aber meiner bescheidenen Meinung nach symbolisierten sie wenigstens etwas. Damals hatten wir eine anständige Stadt. Die Leute waren respektvoll und kannten ihren Platz in der Gesellschaft. Sie arbeiteten, anstatt dauernd auf der faulen Haut zu liegen. Wir öffneten die Tore nicht jedem Pöbel. Und wir hatten das Gesetz. Das stimmt doch, Hauptmann?«
Hauptmann Samuel Mumm blickte aus gläsernen Augen am linken Ohr des Sprechers vorbei.
Zigarrenrauch hing dick und fast reglos in der Luft. Mumm wurde sich vage bewußt, daß er mehrere Stunden damit verbracht hatte, zuviel zu essen, noch dazu in der Gesellschaft von Leuten, die er nicht mochte.
Er sehnte sich nach dem Geruch feuchter Straßen und dem Gefühl von Kopfsteinen unter dünnen Sohlen. Ein Tablett voll mit der Verdauung förderlichen Getränken schwebte um den Tisch herum, doch Mumm hatte bisher darauf verzichtet, nach einem der Gläser zu greifen – um Sybil nicht zu verärgern. Sie war bemüht, ihren Unwillen nicht zu zeigen, womit sie die latente Gereiztheit des Hauptmanns stimulierte.
Die Wirkung von Bärdrückers Leckertropfen ließ immer mehr nach, und Mumm verabscheute es, nüchtern zu sein – dann wurde er nachdenklich. Einer der ihn bedrängenden Gedanken teilte folgendes mit: Es gibt überhaupt keine »bescheidene Meinung«.
Er hatte kaum Erfahrung mit den Reichen und Mächtigen. Das galt auch für seine Kollegen. Nicht, daß die Reichen und Mächtigen etwa weniger dazu neigten, die Gesetze zu brechen. Von Reichen und Mächtigen verübte Verbrechen befanden sich vielmehr so weit über dem normalen Niveau der Kriminalität, daß Männer mit billigen Stiefeln und rostenden Kettenhemden nichts damit zu tun bekamen. Zum Beispiel war es völlig legal, hundert Baracken in den Slums zu besitzen; doch wer in ihnen wohnte, machte sich dadurch fast strafbar. Es verstieß nicht gegen das Gesetz, ein Assassine zu sein – die Gilde ließ darüber nichts verlauten, aber ein wichtiger Qualifikationsfaktor für die Mitgliedschaft war die Abstammung, aus einer »feinen Familie«. Wenn man genug Geld hatte, verübte man keine Verbrechen mehr, höchstens amüsante kleine »Jugendsünden«.
»Ganz gleich, wohin man schaut: Überall hochnäsige Zwerge, arrogante Trolle und respektlose Bürger«, sagte Lady Selachii. »Inzwischen leben in Ankh-Morpork mehr Zwerge als in manchen ihrer eigenen Städte – oder wie sie ihre Löcher nennen.«
»Was meinst du, Hauptmann?« fragte der Herzog von Eorle.
»Hmm?« Mumm nahm eine Weintraube und drehte sie langsam hin und her.
»Was hältst du von dem gegenwärtigen ethnischen Problem in der Stadt?«
»Haben wir eins?«
»Nun… denk nur an den Steinbruchweg! Dort wird jeden Abend gekämpft!«
»Und die Kerle haben überhaupt keinen Sinn für Religion!«
Mumm betrachtete die Weintraube. Am liebsten hätte er folgende Antwort gegeben: Natürlich kämpfen sie. Schließlich sind es
Trolle.
Sie hauen sich gegenseitig Knüppel auf den Schädel – weil sich Trolle vor allem mit Körpersprache verständigen und… äh… gern brüllen. Nur der Mistkerl Chrysopras macht manchmal Probleme, indem er Menschen nachäfft und zu schnell lernt. Und was die Religion betrifft: Trollgötter schwangen bereits ihre Keulen, als wir erst noch lernen mußten, daß man Steine nicht essen kann.
Dies alles wollte Mumm sagen, doch die Erinnerung an den toten Zwerg weckte etwas Gemeines in ihm.
Er legte die Traube auf das Tablett zurück.
»Stimmt haargenau«, schwadronierte er. »Meiner Ansicht nach sollte man die gottlosen Mistkerle aus der Stadt verjagen.«
Es wurde still.
»Sie haben es nicht anders verdient«, bekräftigte Mumm.
»Genau!« entfuhr es Lady Omnius. Mumm vermutete, daß ihr Vorname Sara lautete. »Es sind kaum mehr als Tiere.«
»Ist euch aufgefallen, wie groß ihre Köpfe sind?« fragte Mumm. »Sie bestehen fast nur aus Fels. Das Gehirn ist lächerlich winzig.«
»Und dann die Moral«, meinte der Herzog von Eorle.
Zustimmendes Murmeln erhob sich. Mumm griff nach seinem Glas.
»Willikins, ich glaube nicht, daß Hauptmann Mumm Wein möchte«, sagte Lady Käsedick.
»Falsch!« rief Mumm fröhlich. »Da wir gerade beim Thema sind… Was ist mit den
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