Hello Kitty muss sterben

Hause gelernt.
    »Alles schmeckt gleich in Chinatown. Welches denn?«
    »Das mit den Glastüren, Fiona.«
    Sämtliche Restaurants in Chinatown hatten Glastüren.
    »Ach das, Dad.«
    »Er ist ein prima Junge. Er wird dir gefallen.«
    »Aber Dad, ich kann nicht.«
    »Warum nicht? Kannst du dir am Wochenende nicht einen Tag freinehmen?«
    »Nein, das ist es nicht, Dad. Ich habe ein Date«, log ich.
    »Was?«
    »Date, Dad. Date. Mit einem Mann. Einem chinesischen Mann.«
    »Wirklich? Wann hast du ihn kennengelernt?«
    »Heute Abend. Laurie hat mich zu einer asiatischen Speed-Dating-Veranstaltung mitgeschleppt. Ich habe jemanden kennengelernt.«
    »Womit verdient er seinen Lebensunterhalt, Fiona?«
    »Computertechniker. Hat an der UC Berkeley studiert.«
    » UC BERKELEY ?!«
    »Dad, schrei doch nicht. Ich habe Kopfschmerzen.«
    »Hast du getrunken?«
    »Nein«, log ich.
    »Bist du betrunken, Fiona?«
    »Nein. Herrgott, Dad.«
    »Diesen Jungen gibt es?«
    »Himmel, Dad. Ja, wir gehen am Wochenende ins Kino.«
    »Wow! Er war wirklich an der UC Berkeley?«
    »Das hat er behauptet, aber er könnte ein dicker, fetter Lügner sein.«
    »Wie heißt er?«
    »Thomas Lam«, sagte ich, die ungleichmäßige Hand schrift auf der Karteikarte lesend.
    »Okay, ich verschiebe dein Date auf nächstes Wochenende.«
    »Was?«
    »Man kann nicht alles auf eine Karte setzen, Fiona. Besonders du nicht.«
    Besonders ich nicht. Die ich keinen Mann halten konnte, fehlendes Jungfernhäutchen hin oder her.
    »Dad.«
    »War Thomas wirklich an der UC Berkeley?«
    »Ich weiß es nicht, Dad. Ich habe es dir doch gesagt. Das hat er behauptet.«
    »Okay. Mach dich wieder an die Arbeit. Ich kümmere mich um dein anderes Date. Triff du zuerst den hier. Und denk dran: Trag Lippenstift.«
    Hai.
    University of California in Berkeley. UC Berkeley. CAL .
    Für in Nordkalifornien wohnhafte chinesische Amerikaner ist die UC Berkeley Harvard, Yale, Princeton, Columbia, Stanford, Cambridge, Oxford in einem. Highschool-Kids haben sich auf eine Absage der UC Berkeley hin schon umgebracht. Das Leben ist nichts wert, wenn die UC Berkeley einen nicht der Aufnahme für würdig hält.
    Von der UC Berkeley aufgenommen zu werden und dort seinen Abschluss zu machen bedeutet, dass man die Straße im Krebsgang entlanggehen kann. Man wird als Genie bejubelt werden. Man wird Erfolg haben. Man wird Ingenieur, Arzt, Millionär sein. Man wird den richtigen Partner heiraten und in einem perfekten Haus im Sunset District wohnen und zwei Jungen haben. Man wird lebenslänglich ausgesorgt haben.
    Lebenslänglich.
    Das ist das UC -Berkeley-Versprechen.
    Ganz egal, dass ich in Yale studiert hatte. Der Umstand, dass Thomas an der UC Berkeley gewesen war, beeindruckte meinen Vater. Er und meine Mutter schmiedeten wahrscheinlich gerade meine Hochzeitspläne.
    Schade nur, dass ich gar kein Date mit Thomas hatte. Ich hegte keinerlei Absichten, mich mit ihm zu verabreden. Es war bloß einfacher zu lügen, als sich während eines heftigen Migräneanfalls mit meinem Vater zu streiten. Nachdem ich aufgelegt hatte, checkte ich wieder meine Voicemail, den BlackBerry, meine E-Mails.
    Zwei neue Nachrichten waren in fetter Schrift in meinem Gmail-Posteingang hervorgehoben.
    Eine war ein Sonderangebot für Viagra.
    Die andere war ein Aufruf, sich einer Kampagne zur Rettung der Wölfe anzuschließen. Anscheinend mussten die Wölfe gerettet werden.
    Und eine Gmail-Werbeanzeige machte mich darauf aufmerksam, dass Hello-Kitty-Unterwäsche bei Overstock.com um vierzig bis sechzig Prozent reduziert war.
    Kein Sean.
    Müßiggang und der fehlende Sean.
    Müßiggang und Thomas.
    Ich griff nach der rosafarbenen Karteikarte mit Thomas’ Nummer. Ich lehnte sie an mein Telefon, um nicht zu vergessen, ihn morgen anzurufen. Zum Teufel noch mal. Ich konnte schließlich mein Pfefferspray und das Butterflymesser mitnehmen. Gute Begleiter bei einem Date.
    Raymond Merrill hätte seine mitnehmen sollen.

KAPITEL 9
    Flunitrazepam, oder was ein Nachrichtensprecher Rohypnol nennt, oder was der durchschnittliche Date-Vergewaltiger einen Flunie nennt, gibt einen großartigen Begleiter bei einem Date ab.
    Sean warf mir zwei Tabletten in einem kleinen Plastikbeutel zu.
    »Nimm die mit. Falls du ihn betäuben musst.«
    »Sean, ich habe nicht vor, ihn zu vergewaltigen oder auszurauben.«
    »Nein, aber falls du in Not gerätst und die Flucht ergreifen musst. Bewirkt anterograde Amnesie. Rückstände im Körper fast unmöglich