Hello Kitty muss sterben
zurückgekämmt. Hautenges schwarzes Kleid. Mit Perlen verzierte Abendsandalen von Manolo Blahnik. Silbernes Armband von Tiffany ohne dazu passende Kette.
»Sean, für mich sehen sie alle gleich aus.«
»Such eine aus«, sagte er, ohne mich anzusehen.
»Miss Cosmo.«
»Warum die?«
»Ich begehre ihre Schuhe. Rote Sohlen. In der chinesischen Kultur bedeutet das Glück. Ich will, dass sie im Lotto gewinnt. Abgesehen davon ist sie so hübsch.« Zu hübsch.
Sean lächelte mir zu. Er lehnte sich zu mir und küsste mich auf die Wange. Ich atmete sein Aqua Di Gio ein.
»Ja, erinnert mich an jemanden. Sieh sie dir an. Glaubt, sie könne den ganzen Laden um den kleinen Finger wickeln.«
»Tja, die andere sieht einfach nur langweilig und traurig aus. White Russian. Bäh«, sagte ich.
Sean nippte an seiner Bloody Mary und leckte sich die Mundwinkel sauber.
»Fragst du mich denn gar nicht, was ich tun werde, Fi?«
Einen Augenblick lang sagte ich nichts. Seans Augen funkelten, forderten mich heraus, ihn zu fragen. Funkelten wie kleine runde Schlangenaugen, blinzelnd, verlockend, bezaubernd, tödlich.
»Fi?«
»Nein. Soll ich überhaupt hierbleiben?«
»Wahrscheinlich wäre es besser, wenn du deinen Drink austrinken und nach Hause zu Pepito gehen würdest.«
»Wenn ich irgendein anderes Mädchen wäre, würde ich dich ein Arschloch nennen, weil du mir gesagt hast, ich solle meinen Drink austrinken und nach Hause gehen.«
Sean lachte düster. »Aber du bist nicht irgendein anderes Mädchen.«
Auf einmal war mir übel. Schlecht. Kotzübel im Punkrockstil, und mir lief ein eiskalter Schauer die Glieder hinunter.
»Warum gehen wir nicht tanzen, Sean? Lass uns in die Starlight Lounge gehen.«
»Nein. Du hast mir bereits ein Mädchen ausgesucht. Ich habe zu tun. Gottes Werk verrichten.«
»Vergiss sie, Sean. Gehen wir tanzen. Erzähl mir nicht, dass du nicht tanzen kannst.«
»Tanzen. Jemand hat mir mal gesagt, Tanzen sei ›die vertikale Äußerung horizontaler Begierden‹. Kluger Mann. Und du hast keine horizontalen Begierden, Fi.«
»Aber ich mag die vertikale Äußerung. Komm schon, gehen wir.«
»Nein.«
»Sean. Komm schon.«
»Nein, Fi. Ich habe heute Abend zu tun. Geh nach Hause.«
»Sean. Komm schon.«
»Nein.«
»Dann bring mich zuerst nach Hause. Ich könnte in diesen Schuhen stolpern und sterben. Oder von einem Junkie ausgeraubt werden.«
»Dann tritt den Mistkerl mit den Stöckelschuhen. Jeder muss mal sterben, Fi. Geh nach Hause.«
Sean stand auf und schlenderte zu der großen Blondine hinüber, die sich die Haare über die Schulter schnippte und ihm ein professionell gebleichtes Lächeln schenkte.
Zur Hölle. Die Frau hatte es nicht anders verdient.
Der Tod, der große Gleichmacher. Alt, hässlich, krank, arm. Jung, wunderschön, gesund, reich. Dem Sensenmann ist das egal. Jeder endet auf die gleiche Weise. Tot, nackt, in den Himmel stinkend, auslaufend, stückchenweise in Stücke zerfallend.
Sean war es auch egal.
Jeder muss mal sterben. Besonders die Blonden und Hübschen.
KAPITEL 8
Sean verschwand nach jenem Abend im Oak Room.
Die moderne Technik hat es den Leuten einfacher gemacht zu verschwinden. Handys. E-Mail. BlackBerrys. Voicemail. Anrufbeantworter. All diese Dinge können den Anschein erwecken, als wäre man auf die unterschiedlichsten Arten kontaktierbar. Auf all diesen Dingen kann man Nachrichten hinterlassen. Keines kann die Person, die man erreichen möchte, dazu bringen, einen zurückzurufen. Noch nicht einmal das iPhone. Die Grenzen der modernen Technik.
»Dr. Killroy ist nicht da. Es hat einen Notfall in der Familie gegeben«, sagte Seans Sprechstundenhilfe.
Seans Eltern waren tot. Er hatte keine Geschwister. Er hatte keine Familie, bei der es einen Notfall hätte geben können.
»Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«, fragte sie.
Können Sie ihn dazu bringen, mich zurückzurufen?
Nein, können Sie nicht. Die Grenzen des Menschen.
Praxis, zu Hause, Handy, E-Mail. Überall jeweils mehrere Nachrichten. Vielleicht war Sean verstorben. Oder hatte zu Hause betrunken das Bewusstsein verloren. Oder wollte einfach eine Zeit lang nicht gefunden werden. So oder so, kein Sean.
Ich litt an Sean-Entzug. Zu den Entzugserscheinungen gehörten verminderte Konzentrationsfähigkeit, Stimmungsschwankungen, Nervosität, Reizbarkeit, Blähungen, Langeweile. Die Langeweile stellte sich als das Gefährlichste heraus. Müßiggang und Laster.
In meinem Fall, Müßiggang und
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