Hello Kitty muss sterben
verübeln?
Entlassungen. Stellenabbau. Rationalisierungen. Oder was eine Anwaltskanzlei als »normale Abrasion auf Basis von Leistungsbeurteilungen« bezeichnet. Es ist Juristensprache dafür, dass man Mitarbeiter rauswirft, wenn das Geschäft einen Sturzflug macht. Wenn es nicht so viel Arbeit gibt, dass die Mitarbeiter jene achtzig abrechenbaren Stunden pro Woche am laufenden Band produzieren können.
Folglich leistungsbezogene Kündigungen.
Niemand war bestürzter über die Neuigkeiten als Laurie.
»Fi, es ist nicht fair! Ich hatte jedes Jahr erstklassige Beurteilungen.«
»Laurie, wir sind nicht die Einzigen. Zweiundachtzig weitere marschieren in zwei Stunden mit hinaus. Es ist eine massive Entlassungswelle. Keine Arbeit. Kein Profit. Keine Mitarbeiter.«
»Aber ich habe ganze Nächte durchgemacht.«
»Ganze Nächte durchgemacht, um Kuverts zu lecken. Niemand wird der Firma zweihundertfünfundsiebzig Dollar pro Stunde dafür zahlen, dass wir Kuverts vollstopfen. Komm schon, pack deine Sachen.«
»Ich habe zu viel Zeug.«
Laurie sank in ihren Sessel und schluchzte. Sie hatte tatsächlich zu viel Zeug. Gerahmte Poster von Ansel Adams. Zwei Auszeichnungen, die sie als Briefbeschwerer benutzte. Zwei silberne Sansevieriapflanzen. Bücher, Bücher und noch mehr Bücher. Becher, Fotos, Cremetiegel.
»Wir hätten gern, dass Sie das Gebäude binnen zwei Stunden verlassen«, sagte Jack.
Zwei Stunden. Pack deinen Kram und verschwinde.
Ich hatte nicht viel in meinem Büro. Spartanisch. Meine Lieblingsausstattung. Kein einziger persönlicher Gegenstand mit Ausnahme einer Schachtel Kleenex. Ich ließ sie da. Und Ted Bundy zusammen mit der Galerie bekannter Missetäter auf meinem Computer-Desktop. Ich ging mit meiner Louis-Vuitton-Handtasche hinaus. Als wäre ich auf dem Weg zum Lunch.
Ich wollte meiner Sekretärin Tiffany sagen, dass ich einen Kaffee trinken ginge. Doch ihre Kabine stand leer, ebenso wie die Rezeption. Sie war, zusammen mit achtundfünfzig anderen Angestellten, einschließlich der Empfangsdame, am Morgen in einen Konferenzsaal gerufen worden. Sie kehrten nie an ihre Arbeitsplätze zurück.
Ich rief Sean an und jammerte ihm etwas vor, weil ich meine Stelle verloren hatte. Er lud mich auf ein paar Drinks zu sich ein. Als ich kam, reichte er mir einen Scotch on the rocks.
»Das kann ich nicht trinken, Sean.«
»Sicher kannst du. Man gießt es sich in den Mund. So.«
Sean trank einen Schluck von seinem Scotch. Ich folgte seinem Beispiel und zuckte zusammen, als mir der Alkohol die Kehle verbrannte.
»Wenigstens bist du nicht wegen einer kaputten Gebärmutter gefeuert worden, Fi.«
»Oder wegen eines fehlenden Jungfernhäutchens, stimmt’s? Ja, das wäre definitiv noch beschissener gewesen.«
»Siehst du? Na, also.«
Es stimmte.
Eine Kanzlei in San Francisco hatte eine asiatisch-amerikanische Mitarbeiterin rausgeschmissen, die eine Fehlgeburt erlitten hatte. Sechs Tage, nachdem sie ihre Gebärmutter ausgeschabt bekommen hatte, sagte man ihr, sie solle verschwinden. Im Laufe einer Woche verlor Hello Kitty erst ihr Baby, dann ihren Job. Ein Paradebeispiel für die legendäre Menschlichkeit großer Anwaltskanzleien.
Keiner wollte eine Hello Kitty mit defekter Gebärmutter. Oder schlimmer, eine Hello Kitty mit einer, die reibungslos funktionierte und weitere Babymiezekätzchen produzierte, sodass der Firma wertvolle abrechenbare Stunden gestohlen wurden. Ja, das war noch viel schlimmer.
»Wenigstens hast du deine Eltern, Fi. Hast du es ihnen schon gesagt?«
»Nein, noch nicht. Und ich würde es eigentlich lieber nicht tun, aber es lässt sich nicht vermeiden. Aber ja, Gott sei Dank für sie. Oder ich säße auf der Straße.«
»Nein, du wirst Arbeitslosengeld kriegen. Davon kann man sich allerdings keine Dior-Schuhe kaufen.«
»Schuhe sind das Letzte, was ich im Moment brauche, Sean. Was ich wirklich brauche, ist ein neuer Job.«
Sean legte den Kopf schräg und schloss die Augen. Seine Denkerpose.
»Fi, wo hängen Firmenanwälte nach der Arbeit ab?«
»Was?«
»Bar. Welche Bar?«
»Viele gehen ins Harringtons oder in den Wine Table.«
»Der Wine Table. Ist das der schicke Laden, der kürzlich in deinem Gebäudekomplex aufgemacht hat?«
»Jep. Und er ist teuer. Ich gehe nicht dahin. Ich mag deinen Alkohol. Der ist gratis.«
»Steh auf. Wir gehen in den Wine Table.«
»Nein«, sagte ich kopfschüttelnd. »Auf keinen Fall.«
»Du hast doch gesagt, dass du einen neuen Job brauchst,
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