Hello Kitty muss sterben
bloß wir.«
»Was wirst du tun, Fiona?«
»Zuerst einmal gehe ich ins Bett. Morgen suche ich mir eine neue Stelle.«
»Du musst etwas Schlechtes getan haben.«
Ich seufzte und ließ die ganze schale Luft entweichen.
»Ja, Dad, ich bin sehr schlecht gewesen, Dad. Ich habe einfach keinen Lippenstift getragen.«
»Fiona, werd nicht frech. Geh ins Bett.«
Hai, Daddy.
Am nächsten Tag rief Sean bei mir zu Hause zu einer Zeit an, die normale Erwerbstätige Mittagspause nannten. Die Arbeitslose Zeit fürs Nickerchen nannten.
»Es gibt eine freie Stelle bei Beamer & Hodgins. Bewirb dich jetzt.«
»Was?«
»Herrgott. Hast du die Nachrichten gelesen, Fi?«
»Nein, ich hasse die Nachrichten.«
»Du solltest wirklich auf dem Laufenden bleiben, was die Nachrichten betrifft. Geh online. SFGate.com.«
Sean legte auf.
Ich rollte mich vom Sofa, setzte mich vor den Computer und loggte mich ins Internet ein. Das heilige Internet, das World Wide Web, meine Verbindung zur Welt.
In der Sparte mit den neuesten Nachrichten auf SFGate.com war ein Artikel mit dem Titel:
Hiesiger Anwalt beim Trinken gestorben: David Keener, 30, aus San Francisco kam in der vergangenen Nacht im Wine Table, der neuen angesagten Downtownbar, ums Leben, nachdem er eine gewaltige Menge an Alkohol und unbekannten Beruhigungsmitteln zu sich genommen hatte. Keener wurde von einem anderen Gast entdeckt, nachdem er in der Toilette das Bewusstsein verloren hatte. Er wurde vor Ort für tot erklärt, als es den Sanitätern nicht gelang, ihn nach wiederholten Versuchen wiederzubeleben. Keener war Anwalt in der Firmen- und Anlageabteilung der renommierten Anwaltskanzlei Beamer & Hodgins LLP in San Francisco.
In dem Artikel ging es mit einer banalen Debatte darüber weiter, dass exzessiver Alkoholgenuss ein Berufsrisiko des Juristenstands sei, dass Junganwälte Trost in der Flasche suchten, nachdem sie sich durch Neunzig-abrechenbare-Stunden-Wochen abgeschuftet und ausfällige Seniorpartner ertragen hatten, dass Anwaltskanzleien die Kultur und das Klima überprüfen müssten, in denen sie operierten, dass Senioranwälte mit besserem Beispiel vorangehen müssten.
Nichts davon spielte eine Rolle für mich.
Ich stattete der Website von Beamer & Hodgins einen Besuch ab und suchte nach David Keener in der Hoffnung, die IT -Abteilung habe sein Profil noch nicht aus dem Firmenverzeichnis gelöscht. Keeners Profil erschien, zusammen mit seinem Firmenfoto.
Das verpixelte Bild lächelte mich geistlos an. Ich erkannte den dunklen Wollanzug wieder, die makellosen welligen blonden Haare und die Krawatte von Hugo Boss.
Ich tat, was jeder täte. Ich setzte ein Anschreiben auf und brachte meinen Lebenslauf auf den neuesten Stand. Ich machte mich kundig über Beamer & Hodgins und deren Firmen- und Anlageabteilung. Und über Keeners Seniorpartner. Jack Betner. Noch ein Jack. Auch weiß, auch alt, auch mit Ich-bin-so-ein-Arschloch-Blick.
Gleiche Kacke, anderes Klo.
Ich emailte mein Anschreiben und den Lebenslauf direkt an Jack. Dann klickte ich auf die Firmen-Biografien, um etwas über die anderen Anwälte in der Firmen- und Anlageabteilung zu erfahren. Ein Mädchen sah beinahe genauso wie Laurie aus. Gesicht wie ein Kuchen. Randlose Brille.
Ich tippte noch einmal Keeners Namen in das Suchfeld ein.
Keine Suchergebnisse für Ihre Suchkriterien gefunden.
Ein halber Tag. Keener war seit einem halben Tag tot. Beamer & Hodgins LLP hatten ihn binnen weniger als vierundzwanzig Stunden gelöscht. Die IT -Leute hatten ihre Mittagszeit fleißig genutzt. Sauber, kalt, effizient. Meine Art von Firma.
Sean hatte recht.
Beamer & Hodgins LLP hatten eine freie Stelle.
KAPITEL 11
Ein leeres Büro ist schlecht fürs Geschäft. Anwaltskanzleien zahlen hohe Mieten für schicke Räumlichkeiten, um Mandanten zu beeindrucken. Und wenn in einem Büro kein Anwalt sitzt und wie wild Stunden abrechnet, verliert die Kanzlei Geld. Viel Geld.
Ein leeres Büro bereitet außerdem den anderen Anwälten Unbehagen. Es ist wie ein leichter Schluckauf in der Welt halbmonatlicher dicker Gehaltsschecks, abgestufter Tarife, festgesetzter Prämien, unbegrenzter Rechtsrecherche bei Westlaw, unbegrenzter Stifte, Büroklammern, Notizblöcke, Haftnotizen, unbegrenzten Trinkwassers von Alhambra.
David Keeners Tod verursachte Beamer & Hodgins LLP Schluckauf.
Jack Betner wusste das.
Jack musste Keeners Büro mit jemandem füllen. Mit einem Dr. jur. von einer ordentlichen Uni, der gewillt war, sich für ein
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