Hello Kitty muss sterben
dein erstes Mal beim Krabbenfischen, Fiona?«, fragte Carl.
»Ja, so ziemlich.«
»Gefällt es dir bisher?«
»Ähm, sicher. Was machen wir jetzt?«
»Ach, wir warten ab, dass die Krabben hineingekrochen kommen.«
»Nein, ich meine, was machen wir, während wir abwarten?«
»Tja, für gewöhnlich spielen wir am Strand Hearts«, sagte Joe.
Hearts. Das hätte ich mir ja denken können.
Hearts ist ein Kartenspiel für vier Spieler, in dem Stiche gemacht werden. Es ist auch als Black Lady, Chase the Lady, Crubs, Black Maria und Black Bitch bekannt. Auf der Highschool war es das bevorzugte Spiel der Mathe-, Schach- und Naturwissenschaftsstreber. Diese Leute hockten immer gruppenweise herum und spielten in den Fluren, bis ein Sportler vorbeikam und ihnen fürsorglicherweise die Karten wegkickte.
»Spielst du, Fiona?«, fragte Don.
»Nein.«
Ich zog mein Handy hervor und betete um Empfang. Ich wollte Sean anrufen, selbst wenn ich bezweifelte, dass er geneigt wäre, den ganzen Weg hier herauszufahren, um mich vor Hearts zu bewahren. Doch ich hatte kein Netz.
»Telefone funktionieren hier draußen nicht gut«, sagte Don. »Du kannst uns beim Spielen zusehen.«
Wie aufregend.
Don dabei zuzusehen, wie er mit seinen Freunden Karten spielte, und darauf zu warten, dass Krabben kamen und an Hühnerhälsen knabberten. Auf einmal vermisste ich Jack und meine Verträge, Formulare, Vereinbarungen. Doch ich hatte bloß einen Flunie übrig. Und ich befand mich am Arsch der Welt.
Man setzt niemals die Leute unter Drogen, die einen aus der Wildnis zurück in die Zivilisation mitnehmen werden. Die den zusätzlichen Schlafsack, das Zelt und die Nahrungsmittel haben.
Folglich gab ich stundenlang ein Interesse an Hearts vor. Ich versuchte mir vorzustellen, glückselig auf einem Kürbis am See hier draußen bei Mutter Natur zu hocken. Doch als Don, Carl und Joe am Abend beschlossen, in ihren Fallen nachzusehen, wollte ich nur noch eines: die Politik der verbrannten Erde in der gesamten unmittelbaren Umgebung durchziehen.
»Ach, Mann. Ich habe nichts«, rief Joe, der seine leere Falle stirnrunzelnd betrachtete.
»Ooh, ich habe eine, aber sie ist zu klein. Ich muss sie zurückwerfen«, sagte Carl, während er die Falle öffnete und die Dollarstück-große Babykrabbe im Wasser freiließ.
Eifrig zog Don seine Falle hoch, indem er sie mithilfe seiner schicken Boje einholte. Als er sie aus dem Wasser hievte, vernahmen wir laut protestierendes Geklapper von den überkrusteten Beinen und Scheren zweier riesiger Roter Klippenkrabben, die in dem Metallkäfig rasselten.
»Juchuuu! Oh, meine Mutter wird begeistert sein!«, stieß Don hervor. »Sie liebt Krabben.«
»Du bist so ein Glückspilz, Mann«, sagte Carl wehmütig.
»Was du nicht sagst. In mehr als einer Hinsicht«, gluckste Joe, der einen verstohlenen Blick in meine Richtung warf.
Herrgott.
Ich merkte mir vor, Sean unbedingt um mehr Flunies zu bitten, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Außerdem merkte ich mir vor, nie mehr Krabbenfischen zu gehen. Nie wieder. Nicht mit Don, nicht mit sonst wem.
Nach einem Abendessen, das aus selbst gemachten Schinken-Käse-Broten bestand, die Dons Mutter eingepackt hatte, saßen wir um ein Lagerfeuer und tranken Bier, während Don und seine Freunde mir Löcher in den Bauch fragten, was mein Leben und meine Arbeit betraf.
»Dann bist du also wirklich Anwältin?«, fragte Carl.
»Ja.«
»Hast du eine Zulassung?«, fragte Joe.
»Ja.«
»Bist du gern Anwältin?«, fragte Carl.
»Wieso denn nicht?«
»Ja, klar. Anwalt zu sein, ist so was von cool.«
»Wie hast du eigentlich Don kennengelernt?«, fragte Joe.
»Mein Dad kennt seinen Dad.«
»Oh«, sagten Carl und Joe einstimmig.
»Mann, ich bin fix und fertig. Ich gehe mich ins Zelt legen«, sagte Don.
Carl und Joe lächelten und sahen mich an.
»Hier, geh schon mal rein. Ich besorg dir einen Schlummertrunk«, sagte ich und machte mich auf den Weg zur Kühlbox. »Meine Mom sagt, es ist immer gut, direkt vor dem Schlafengehen Flüssigkeit zu sich zu nehmen.«
»Ach, danke, Fiona. Das ist echt lieb.«
Trink eine Flunietablette in etwas Bier und meld dich am Morgen.
Gute Nacht, Don.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit trüben Augen und pelzigem Mund dank des Mangels an wohltuendem Schlaf und Colgate-Kariesschutz-Zahnpasta.
»Heilige Scheiße. Ich habe wie ein Murmeltier geschlafen! Ich muss müde gewesen sein.« Don trug die schlimmste Bettfrisur zur Schau, die ich je gesehen
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