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Hell's Angels (German Edition)

Hell's Angels (German Edition)

Titel: Hell's Angels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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krankes Tier in den Wald geschlichen, um sein Delirium zu überstehen, ohne die anderen zu stören. Aber crashen bedeutet weiter nichts, als dass man ein Nickerchen macht – um einen Rausch auszuschlafen oder weil man einfach erschöpft ist. Wenn so etwas geschieht – und der Unglückliche kein sicheres Versteck dafür gefunden hat –, fangen die anderen sofort an, ihn zu quälen. Die geläufigste Strafe für das Einpennen ist die Urindusche; die noch stehen können, versammeln sich um den Schläfer und pinkeln ihn von Kopf bis Fuß nass. Andere Strafen sind raffinierter. Mouldy Marvin wird allgemein bewundert für seine diesbezügliche Kreativität. Einmal schloss er Terry the Tramp an eine Steckdose an, goss ihm Bier über die Jeans und schaltete den Strom ein. Jimmy aus Oakland, einer der stilleren Angels, erinnert sich, dass er einmal in Sacramento auf einem Run einschlief und dann in Brand gesetzt wurde. »Diese Schweine haben mir die Brille schwarz bemalt, dann haben sie mit Lippenstift auf mir rumgekrakelt, und dann haben sie mich angezündet«, erzählt er lächelnd. Als Magoo einmal auf einer Party aufwachte, musste er feststellen, dass man ihn mit Handschellen an einen Sturzbügel gefesselt hatte und in seinem Schoß zwei Streichholzbriefchen brannten. »Ich habe gefleht, dass mich einer anpissen soll«, erzählte er. »Mann, ich stand in Flammen!«
    Als dann der Morgen dämmerte, regten sich keine zwanzig Leute mehr im Lager. Einer der Jokers, mit denen ich mich zuvor unterhalten hatte, war mit einem Mal ganz fasziniert von dem Wort »Abschieben«. Er hatte es
aufgeschnappt, als ich ihnen gegenüber davon gesprochen hatte, man habe sie auf einen schlechten Campingplatz »abgeschoben«. Er sprach das Wort grinsend nach und spielte dann eine Weile damit herum. Stunden später hörte ich, wie er zu einem anderen Joker sagte: »Komm, Mann, wir fahren in die Stadt und schieben wen ab.« Gegen vier Uhr morgens war das Wort wie ein Tumor in seinem Bewusstsein herangewachsen, und er taperte ums Feuer, packte sich Leute und fragte sie: »Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt abschieben würde?« oder »Sag mal, Mann, kannst du mir bis morgen ein bisschen was abschieben, ich bin total blank.« Dann lachte er wie von Sinnen und strauchelte weiter zu den Resten des Bierbergs, der zu diesem Zeitpunkt fast nur noch aus leeren Büchsen bestand. Hin und wieder bekam ein Outlaw, der keine volle Büchse mehr fand, einen Wutanfall und kickte die leeren in alle Himmelsrichtungen, bis jemand kam und ihm suchen half. Und den Hintergrund all dieser Geräusche bildete wie üblich das Dröhnen der Motorradmotoren. Einige Angels setzten sich für eine Weile auf ihre Maschinen, ließen sie laufen, schalteten den Motor dann wieder ab und gesellten sich wieder zu den anderen. Es schien ihnen frische Energie zu verleihen, als würde ihre Batterie dadurch aufgeladen. Das Letzte, was ich in dieser Nacht hörte, war der friedliche Leerlauf eines Bocks direkt neben meinem Auto.
    Am nächsten Morgen weckte mich das gleiche Geräusch, aber nun war es ohrenbetäubend. Anscheinend war im Laufe der Nacht irgendein Feind herbeigeschlichen und hatte an sämtlichen Vergasern herumgespielt, so dass sie alle neu eingestellt werden mussten. Um das immer noch qualmende Lagerfeuer hatte sich eine große Gruppe versammelt, in deren Mitte ich Barger entdeckte,
der gerade mit einem kahlköpfigen, kleinwüchsigen Mann sprach, der vom Veitstanz befallen schien. Er war Reporter der Los Angeles Times und ging trotz der Anwesenheit etlicher Hilfssheriffs im Camp nervlich auf dem Zahnfleisch. Er wand sich und schwitzte wie ein Mann, der in eine Kannibalenfestung eingedrungen war, um dort der Häuptlingstochter einen Antrag zu machen. Er stellte sich als Jerry Cohen vor. Als er anfing zu erklären, was er wollte, lief Tiny zu Barger, umarmte ihn und drückte ihm einen feuchten Kuss auf den Mund. So etwas ist ein garantierter Schock für alle Spießer, und die Angels sind sich der Reaktion darauf bewusst. »Das ertragen sie nicht«, sagt Terry. »Das ist jedes Mal ein Schock für sie, vor allem Zungenküsse.« Wenn sie einen Fotografen erblicken, verfallen die Angels unweigerlich in wilde Knutscherei, aber ich habe nie gesehen, dass sie einander geküsst hätten, wenn niemand dabei war, den es zu schockieren galt. Es ist aber noch etwas mehr als nur Showbiz, und in einem ernsten Moment behaupten die Angels gerne mal, es sei »nur eine Art, der Welt zu

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