Hell's Angels (German Edition)
Gewehrkolben schwingend. In ihrem Gefolge schossen örtliche Gendarmen mit Schrotflinten. Der Mob zerstreute sich, viele waren von Tränengasgranaten geblendet. Die Polizeikräfte wurden mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Bierdosen beworfen, aber sie trugen Helme, und die zehnwöchige Ausbildung zahlte sich nun aus. Laut Chief Knowlton war das Aufruhrgebiet in fünfzehn Minuten geräumt, »aber es dauerte dann noch eine Stunde, bis auch die Seitenstraßen gesäubert waren«. Zu dieser »Säuberung« gehörte auch das Zusammentreiben von Verdächtigen. Es gibt Fotos, die zeigen, wie Leute von
Motorrädern heruntergeprügelt und mit Bajonettstößen aus Schlafsäcken gescheucht wurden, und laut Associated Press »holte die Polizei sogar Hotelgäste aus dem Bett ...«
Jeder, der am nächsten Tag die Schlagzeilen las, musste annehmen, ganz Laconia liege in Schutt und Asche, und die letzten zerlumpten Überlebenden würden aus der Deckung verkohlter Autowracks aufeinander schießen. Ganz so war es dann doch nicht. Das Kriegsrecht, das am Samstagabend verhängt wurde, wurde am Sonntag pünktlich zum letzten Rennen, das ohne weitere Zwischenfälle verlief, wieder aufgehoben. Auch der Verkauf von Schnaps und Bier, der während des Aufruhrs unterbunden war, wurde wieder aufgenommen. Am Sonntagmorgen wurde berichtet, ein nackter Mann laufe mit einem großen Schild mit der Aufschrift HONI SOIT QUI MAL Y PENSE über die Lakeside Avenue.
Bürgermeister Lessard stellte den ganzen Sonntag lang Ermittlungen über den Aufruhr an und konnte am Montag berichten, er sei von Kommunisten angezettelt und mexikanischen Ursprungs, und die Hell’s Angels hätten dabei die Schmutzarbeit geleistet. Der Bürgermeister, der Polizeichef und der Sicherheitsbeauftragte der Stadt waren sich einig, die Hell’s Angels seien »schuld an dem ganzen Aufruhr«. Sie hatten diese Verschwörung monatelang im Voraus geplant.
»Aber die kommen nicht wieder«, erklärte der Sicherheitsbeauftragte mit Bestimmtheit. »Und falls sie doch wiederkommen, müssen wir uns wieder für sie wappnen.« Schließlich sei niemand umgekommen oder verstümmelt worden, und der Sachschaden beliefe sich auf allenfalls ein paar tausend Dollar.
Andere Kaufleute pflichteten dem bei. »Ich glaube, die [Motorradfahrer] werden hier wieder willkommen sein«,
sagte der Inhaber des Tanzsaals Winnipesaukee Gardens in Weirs Beach. Der Direktor der Laconia National Bank sagte, der Aufruhr sei von einer »kleinen Minderheit« ausgelöst worden, der man eine Lektion erteilt habe und die das nun nicht noch einmal versuchen werde. Einer der wenigen in der Stadt, die das anders sahen, war Warren Warner, der fünfzehn Jahre lang die Oberaufsicht über das Rennen gehabt hatte, als es noch auf der alten Strecke in Belknap stattfand. »Die Befürworter werden sich ein halbes Jahr lang bedeckt halten«, sagte er voraus, »und dann werden sie die Theorie in Umlauf bringen, der Aufruhr sei durch das brutale Vorgehen der Polizei oder durch die Hell’s-Angels-Bande aus Kalifornien ausgelöst worden, und die könnte man in den Griff bekommen. Aber hören Sie: In dieser Menge von zwanzigtausend Motorradfahrern sind immer zweitausend, die sich aufführen wie die Tiere. Es wäre so oder so zu einem Aufruhr gekommen, ob nun irgendein Club dabei war oder nicht.«
Ein örtlicher Journalist, der nicht mit der Bier- und Burger-Lobby in Verbindung steht, drückte es drastischer aus: »Die Motorradfahrer hätten Weirs Beach niederbrennen können, wenn sie wirklich gewollt hätten. Vielleicht holen sie das beim nächsten Mal nach. Laconia ist eine Stadt, die russisches Roulette spielt. Wenn sie abdrückt, passiert fünf Mal nichts. Aber beim sechsten Mal schießt sie sich das Gehirn raus.« 45
Das passte so gar nicht zu der Theorie des Bürgermeisters von den bösen Einflüssen aus der Ferne. Alle schienen
sich einig zu sein, dass an diesem Abend etwas Russisches in der Luft gelegen habe, ich aber war neugierig, was es mit den mexikanischen Einflüssen und der Rolle der Hell’s Angels auf sich hatte. Ich konnte nicht glauben, dass der Bürgermeister bei der Analyse des Aufruhrs tatsächlich die in der Presse zitierten Behauptungen aufgestellt hatte. Sie waren einfach zu absurd. Also beschloss ich, ihn anzurufen und das nachzuprüfen – nicht nur seine Worte, sondern auch Einzelheiten, wie etwa die Zahl der Festnahmen. Aus irgendeinem Grund war es der Presse nicht gelungen, zu erfahren, wie viele
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