Hell's Angels (German Edition)
mutmaßliche Randalierer in Polizeigewahrsam genommen worden waren. Das ist bei Kriminalfällen meist ein wichtiger Faktor und normalerweise leicht zu ermitteln. Daran gibt es nichts zu deuteln, das sind nüchterne, nackte Zahlen, die jedermann bei dem wachhabenden Polizeibeamten erfragen kann – wenn nicht sofort, dann spätestens 24 Stunden nach der Tat. Reporter gehen gemeinhin davon aus, dass die Zahlen, die ihnen der wachhabende Beamte nennt, stimmen, denn er trägt sie ja schließlich selbst ins Dienstbuch des Reviers ein.
Doch in acht unterschiedlichen Artikeln über den Aufruhr von Laconia wurden sieben verschiedene Angaben über die Zahl der Festnahmen gemacht. Hier ist eine Liste, die ich eine Woche nach dem Aufruhr zusammengestellt habe:
New York Times ... »etwa 50«
Associated Press ... »mindestens 75«
San Francisco Examiner (über UPI) ... »mindestens
100, darunter fünf Hell’s Angels«
New York Herald Tribune ... 29
Life ... 34
National Observer ... 34
New York Daily News ... »über 100«
New York Post ... »mindestens 40«
Es gibt bestimmt eine Erklärung für diese Abweichungen, aber da sie nie ans Tageslicht kam, war das kein großer Trost für jene, die sich mit der Lektüre der Presse begnügen müssen. Es wunderte mich nicht, dass die acht Artikel den Aufruhr jeweils ganz unterschiedlich darstellten, denn kein Reporter kann überall sein, und sie bekommen ihre Informationen von unterschiedlichen Leuten. Aber es wäre ausgesprochen beruhigend gewesen, hätte sich die Mehrheit von ihnen auf etwas so Grundlegendes wie die Zahl der Festnahmen einigen können; es hätte die übrigen Informationen glaubwürdiger erscheinen lassen.
Sieben Wochen nach dem Aufruhr, am 11. August, schickte Associated Press endlich die korrekte Zahl über den Ticker, aber da interessierte sich schon niemand mehr dafür, und soweit ich weiß, wurde sie nirgends abgedruckt. In den Akten des Bezirksgerichts von Laconia sind 32 Festnahmen verzeichnet. Keiner der Festgenommenen war Hell’s Angel, keiner aus Kalifornien und auch keiner aus Staaten westlich der Adirondacks. Der Beamte listete sie folgendermaßen auf: »Elf Beklagte aus Massachusetts, zehn aus Connecticut, vier aus New York, drei aus Kanada, drei aus New Jersey und einer aus New Hampshire.«
Von diesen wurden sieben zu einjährigen und einer zu einer halbjährigen Haftstrafe im Staatsgefängnis verurteilt. Es wurden zehn Geldstrafen ausgesprochen, von 25 bis 500 Dollar. Die Anklage gegen zwölf der Beschuldigten wurde fallen gelassen, einer wurde freigesprochen, und elf der Verurteilten legten Berufung ein.
Bürgermeister Lessard war so freundlich, mir durch
das Gericht diese Zahlen übermitteln zu lassen. Sie waren für mich eine gelinde Überraschung, denn bei unserem Telefongespräch hatte der Bürgermeister behauptet, »33 Aufrührer sind verurteilt worden« und »die schlimmen Fälle, die Vorbestraften, haben tausend Dollar Geldstrafe und ein Jahr Gefängnis bekommen«.
Er schickte mir auch ein Päckchen mit Fotos, die während des Aufruhrs aufgenommen wurden, aber auf keinem davon waren irgendwelche Anzeichen für die Anwesenheit von Hell’s Angels zu erkennen. Die meisten zeigten Teenagerjungs, die bunte Pullover, Chinohosen und leichte Slipper trugen. Sie hatten den Polizeitruppen nichts entgegenzusetzen. Der Bürgermeister legte auch Fotos von sich und dem Polizeichef bei, aber es waren Polaroidaufnahmen, und sie vergilbten und verblassten schnell.
Wir telefonierten eines Donnerstagmorgens gut eine Stunde lang miteinander. Ich war so fasziniert, dass ich einfach nicht auflegen konnte. Der Bürgermeister redete ausgesprochen bizarres Zeug. Es war offensichtlich, dass er zum Rhythmus eines Trommelschlags durchs Leben ging, den ich nie hören würde.
Ich hatte erwartet, dass er die eigenartigen Aussagen, welche die New York Times ihm zugeschrieben hatte, dementieren würde – aber nein, er war stolz auf seine Erkenntnisse und bestrebt, damit auch weiterhin zitiert zu werden. Sobald ich auf die Hell’s Angels zu sprechen kam, fing er an, von »Rädelsführern, Kommunisten und Rauschgift« zu faseln. Ihm lägen vertrauliche Informationen vor, dass man in Connecticut vier Hell’s Angels festgenommen habe, die mit »einer Wagenladung Drogen, Handfeuerwaffen und einer abgesägten Schrotflinte« unterwegs nach Laconia gewesen seien. Er war sich
nicht ganz sicher, ob diese vier südlich der Grenze ausgebildet worden waren. »Ich
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