Hell's Angels (German Edition)
Outlaws, die sie fahren, würden lieber zu Fuß gehen, als sich auf einer Honda, Yamaha oder Suzuki blicken zu lassen. Sicherheit und respektable Erscheinung ist das Letzte, was sie wollen; ihre Maschinen sind gefährlich, launenhaft und teuer in jeder Hinsicht; 20 es hat nie einen Outlaw gegeben, der in seinem Bike etwas anderes gesehen hätte als eine Kanone von King-Kong-Kaliber. Und es hat auch nie einen gegeben, der für sauberes, anständiges Vergnügen etwas anderes als Verachtung übrig hatte. Was einer der Gründe dafür ist, dass sie auch die grundlegendsten Sicherheitsmaßnahmen außer Acht lassen, die von den meisten Motorradfahrer für selbstverständlich gehalten werden. Nie wird man einen Hell’s Angel einen Sturzhelm tragen sehen. Und sie tragen auch keine mit Silbernieten beschlagenen »Phantom«-Fliegerjacken aus Leder à la Brando oder Dylan, wie man sie gemeinhin mit Motorrad-Outlaws und »Lederfetischkulten« assoziiert. Das glauben nur Leute, die nichts von Motorrädern verstehen. Schwere Lederjacken sind selbst beim New Yorker Madison Avenue Motorradclub die Regel, einer Oberschichtsbande, zu deren Mitgliedern ein Zahnarzt, ein Filmproduzent, ein Psychiater und ein UNO-Funktionär gehören. Ted Develet, der Filmproduzent, hat sich über das Imageproblem beklagt, das er und die anderen ihrer
Lederjacken wegen haben. »Aber wenn man praktisch denkt, muss man so was tragen«, erklärte er. »Wenn man stürzt, ist es viel billiger, das Leder abzuschürfen als die eigene Haut.«
Es tut auch längst nicht so weh. Eine zwei Handbreit große Fleischwunde auf dem Rücken ist äußerst lästig und heilt nur langsam. Professionelle Motorrad-Rennfahrer, die das auf die harte Tour gelernt haben, tragen Helme, Handschuhe und Lederanzüge.
Nicht so die Hell’s Angels. Die wollen nichts von Sicherheit wissen. Die lassen sich höchstens dazu herab, beim Fahren eine Sonnen- oder Schutzbrille zu tragen, aber auch das mehr zur Schau als zum Schutz. Die Angels wollen nicht, dass irgendjemand glaubt, sie würden in irgendeiner Hinsicht auf Nummer sicher gehen. Lederjacken waren bis Mitte der Fünfzigerjahre in Mode, und viele Outlaws haben ihr Colour darauf genäht. Doch als ihr Ruf immer schlechter wurde und die Polizei ihnen immer mehr auf den Leib rückte, verfiel ein Frisco-Angel auf die Idee mit den abnehmbaren Colours, die man verstecken konnte, wenn es hart auf hart kam. Damit begann die Ära der Jeansweste. Anfangs trugen fast alle Outlaws ihr Colour auf einer Lederjacke, aber in Südkalifornien war es zu heiß dafür, und deshalb kam das Berdoo-Chapter auf die Idee mit den belüfteten Achselhöhlen: keine Jacken mehr, nur noch Kutten. Der nächste Schritt wird logischerweise darin bestehen, dass man auch auf die Jeans verzichtet, und dann ist das Bild komplett: nur noch Stiefel, Bärte, Kutten und bizarrer Genitalschmuck. Ein paar Ältere tragen immer noch Lederjacken, zumal in der Gegend um San Francisco, wo die Winter kalt sind, aber sie sind auf keinen Fall stilbildend, und jeder Unabhängige, der sich um eine Mitgliedschaft bei den Angels bewirbt,
würde als »peinlicher Hosenscheißer« abgelehnt, wenn er dort in einer Lederjacke auftauchen würde.
Eine Horde Hell’s Angels unterwegs auf der Straße ist ein Anblick, den man nicht vergisst. Wenn sie bei einer Tankstelle vorfahren, geraten die Tankwärter in Panik. Man weiß einfach nicht, was man machen soll, wenn eine Karawane landesweit bekannter Schlägertypen vorgefahren kommt, und jeder von ihnen verlangt ein oder zwei Gallonen Benzin. Eines Samstagmorgens hielt ich in der Nähe von Oakland bei einer Tankstelle am Highway 50 und unterhielt mich ganz freundlich mit dem Tankwart über die glühende Hitze und die generelle Perfidie der Technik, als sich die Tankstelle mit einem Mal mit Outlaw-Motorradfahrern füllte, die ihre Motoren aufheulen ließen, rumbrüllten und zwischen den Zapfsäulen hin und her sausten. »Ach du liebe Scheiße!«, sagte der Tankwart. Jetzt war er ganz durcheinander. Er vergaß, wie viel Geld ich ihm schuldete, und ließ mich selbst meinen Kühler befüllen, während er verängstigt die wilde Horde im Auge behielt. Es war eine große, nagelneue Tankstelle mit vier Tankwärtern, aber der aus Hell’s Angels und Gipsy Jokers bestehende Trupp hatte sie komplett im Griff, sobald sie dort eintrafen. Sie zapften ihr Benzin selbst, warfen Bierbüchsen hin und her und durchwühlten auf der Suche nach W-50-Motorradöl die
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