Hell's Angels (German Edition)
jemanden, der nachts im Gebirge allein eine Tankstelle betreibt, eine ganz normale Reaktion – denn selbst wenn er sich zu einem Kampf auf Leben und Tod entschlossen hätte, hätte er gegen dreißig gewaltbereite Biker nicht viel ausrichten können. »Nach gut einer Stunde habe ich endlich den Mut aufgebracht zurückzugehen, um nachzusehen, ob meine Tankstelle noch stand«, erzählte er. »Die Angels waren gerade fertig geworden. Das war die größte Überraschung meines Lebens. Die Werkstatt war makellos sauber. Sie hatten sämtliche Werkzeuge, die sie benutzt hatten, mit Benzin gereinigt und genau da wieder hingehängt, wo sie sie vorgefunden hatten. Sie haben sogar den Boden gefegt. Der Laden war tatsächlich hinterher sauberer als vorher.«
Solche Geschichten hört man oft, sogar von Polizisten. Hier die Aussage des Barbesitzers aus Porterville: »Klar, die sind auf Motorrädern in meine Kneipe reingefahren und haben dabei sogar den Fliesenfußboden beschädigt. Aber ehe sie wieder gefahren sind, haben sie für alle Schäden bezahlt, für jedes zerschlagene Glas. Und so viel Bier habe ich in meinem Leben noch nicht ausgeschenkt. Die sind hier jederzeit wieder willkommen.«
Mancher sich anbiedernde Ladenbesitzer hat an den Hell’s Angels schon nicht schlecht verdient. Sie verlangen
lediglich, dass man ihnen Respekt zollt, und nackte Angst ist eine sehr reine Form dessen. Jeder, der stillschweigend erkennen lässt, dass er Angst vor ihnen hat, hat nichts von ihnen zu befürchten, solange er es nicht übertreibt. Und das kommt durchaus vor, besonders bei heimlichen Homosexuellen, die sich, wenn sie betrunken oder zugedröhnt sind, in der Gegenwart von so viel »praller Männlichkeit« nicht mehr beherrschen können. Irgendwelche Spinner haben bei den Outlaws nichts zu lachen. Ich erinnere mich an eine Party, auf der sie beschlossen, einen Berkeley-Studenten, der ihnen auf die Nerven ging, in Brand zu setzen. Als der Gastgeber protestierte, fesselten sie ihr Opfer an den Handgelenken und kündigten an, sie würden den Studenten hinter einem Motorrad herschleifen. Als das ebenfalls Proteste auslöste, gaben sie sich schließlich damit zufrieden, ihn im Wohnzimmer an einem Arm an einem Deckenbalken aufzuhängen. Nach etwa einer halben Stunde ließen sie sich dazu erweichen, ihn herunterzuschneiden, wobei sie angesichts seines eisernen Schweigens den Kopf schüttelten. Der arme Kerl hatte während der ganzen Tortur kein einziges Wort von sich gegeben. Er wirkte benommen; er ließ sich keinen Schmerz anmerken, und kurz hatte ich den Eindruck, er habe die ganze Sache geplant. Anschließend ging er nach draußen, saß stundenlang auf einem Baumstumpf, sagte kein Wort, zitterte nur ab und an, wie jemand, der gerade einen unbeschreiblichen Höhepunkt hinter sich hat.
Die Angels sind in sado-masochistischen Kreisen sehr beliebt, und obzwar Motorrad-Outlaws als Gruppe ständig bezichtigt werden, abweichende Neigungen zu hegen, wurde die nackte Wahrheit zu diesem Thema vermutlich eines Nachmittags durch einen Frisco-Angel enthüllt, der erzählte: »Was denn, na klar, für zehn Dollar lass ich mir
jederzeit einen blasen. Letztens abends kam in so ’ner Kneipe in Downtown ein Schwuler mit ’nem schönen Zehner an ... Den hat er mir gegeben, und dann hat er mich gefragt, was ich trinken will. Ich hab gesagt: ›Einen doppelten Jack Daniels, Baby.‹ Und er sagt zu dem Barkeeper: ›Zwei davon für meinen Freund und mich.‹ Und dann hockt der sich da an Ort und Stelle auf die Fußleiste und kaut mir nach allen Regeln der Kunst einen ab, Mann, und das Einzige, was ich tun musste, war, den Barkeeper anzulächeln und cool zu bleiben.« Er lachte. »Und dabei hab ich vier Kinder, und meine Alte hat währenddessen vorne mit irgend ’nem Neger Wig oder Wag getanzt oder wie das heißt. Scheiße, Mann, wenn ich mir eines Tages mal von so ’ner Tucke für weniger als ’n Zehner einen blasen lasse, können sie mich gerne als Schwulen bezeichnen.... Mann, für so viel Geld würde ich auch ins Wasser gehen und Fische ficken, da müsstest du mir bloß sagen, wer zahlt.«
Inwieweit die Hell’s Angels nun latente Sado-Masochisten oder verkappte Homosexuelle sind oder nicht, erscheint mir – nach fast einem Jahr in der Gesellschaft der Outlaw-Biker – fast gänzlich irrelevant.
Es gibt Literaturwissenschaftler, die ernsthaft behaupten, Ernest Hemingway sei ein von seinen Neigungen gepeinigter Schwuler gewesen und Mark Twain
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