Hell's Angels (German Edition)
sei bis ans Ende seiner Tage von einem Faible für Analverkehr mit Schwarzen nicht losgekommen. Das ist eine gute Methode, um in den akademischen Vierteljahresschriften einen Sturm im Wasserglas auszulösen, aber es ändert weder auch nur ein Wort dessen, was diese Männer geschrieben haben, noch irgendetwas an der Wirkung, die ihr Werk auf die Welt hatte, über die sie schrieben. Vielleicht war Manolete ein Huffetischist oder litt als Folge langer
Nächte in spanischen Horn-Salons entsetzlich unter Hämorrhoiden – aber er war ein großartiger Matador, und es ist nicht ersichtlich, wie noch so viel freudianisches Theoretisieren auch nur die leiseste Wirkung auf das haben sollte, was er so meisterhaft beherrschte.
Aus dem gleichen Grund würde sich das Verhalten der Hell’s Angels nicht im Geringsten ändern oder freundlicher werden, wenn sämtliche Zeitungen des Landes sie als brutale Schwule anprangerten – selbst wenn sie das wären. Bezeichnenderweise habe ich nie von jemandem gehört, der persönlichen Umgang mit ihnen hatte und dieser freudianischen Sichtweise beigepflichtet hätte – wahrscheinlich, weil jeder, der ein wenig Zeit mit den Angels verbracht hat, den Unterschied zwischen Outlaw-Motorradfahrern und schwulen Lederkulten kennt. Vor jeder Kneipe voller Hell’s Angels stehen am Straßenrand abgespeckte Maschinen aufgereiht. In Lederkneipen hingegen findet man surrealistische Motorraddarstellungen an den Wänden und vielleicht – aber nicht immer – ein oder zwei schwere, mit Extras überladene Harleys draußen abgestellt – komplett mit Windschutzscheibe, Radio und Satteltaschen aus rotem Plastik. Der Unterschied ist so grundsätzlich wie der zwischen einem Profi-Footballspieler und einem eifrigen Footballfan. Der eine ist Ausführender in einem harten, einzigartigen Bereich der Wirklichkeit; der andere ist Anhänger eines Kults, passiver Verehrer und gelegentlicher Nacheiferer eines Stils, der ihn fasziniert, weil er sich himmelweit von der Realität unterscheidet, in der er allmorgendlich die Augen aufschlägt.
Der Lynch-Bericht dazu: »Zwar fühlen sich Homosexuelle anscheinend zu den Hell’s Angels hingezogen, aber es liegen keine Informationen vor, die darauf hindeuten,
dass es sich bei den Hell’s Angels selbst um eine Gruppe von Homosexuellen handelt. Ihnen scheint es vornehmlich um heterosexuelle Kontakte zu gehen. In den Polizeiberichten werden zwar einige heterosexuelle Perversionen aufgeführt, doch diese scheinen im Zusammenhang gesehen eher ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen, »anders zu sein« und dienen vor allem dazu, andere zu schockieren. Mit diesen und anderen Taten wollen die Angels vor allem ihre ›Klasse beweisen‹.«
Der Lynch-Bericht ist sicherlich nicht das letzte Wort in Sachen Angels, aber Charakter und Tendenz dieses Dokuments legen nahe, dass jeder verfügbare Beweis für homosexuelle Handlungen sicher an prominenter Stelle genannt worden wäre. Der Bericht erwähnt so häufig Cunnilingus, dass es direkt auffällt, dass das Wort Fellatio fehlt. Zweifellos lässt selbst diese Unterlassung freudianische Folgerungen zu – aber auch diese hielte ich für weitgehend irrelevant. Jeder Versuch, die Hell’s Angels als ein im Wesentlichen homosexuelles Phänomen zu erklären, wäre intellektuelle Drückebergerei, das selbstgefällige Ignorieren einer Realität, die so komplex und potenziell bösartig ist wie alles in der amerikanischen Gesellschaft.
Das Motorrad ist ganz offensichtlich ein Sexualsymbol. Es ist das, was man als phallisches Fortbewegungssymbol bezeichnet. Es ist eine Erweiterung des eigenen Körpers, eine Kraft zwischen den eigenen Beinen. – Dr. Bernard Diamond, Kriminologe an der University of California, 1965
Die bekannteste Verbindung zwischen Outlaw-Motorradfahrern und Homosexualität ist der Film Scorpio Rising, eine Art Untergrund-Klassiker, gedreht Anfang der
Sechzigerjahre von dem jungen San Franciscoer Filmemacher Kenneth Anger. Anger hat nie behauptet, Scorpio Rising habe irgendetwas mit den Hell’s Angels zu tun, und gedreht wurde der Film größtenteils in Brooklyn, mit der Unterstützung einer Gruppe von Motorradfans, die so lose organisiert war, dass sie sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sich einen Namen zu geben. Im Gegensatz zu The Wild One hatte Angers Werk keinen journalistischen oder dokumentarischen Anspruch. Es war ein Kunstfilm mit viel Rockmusik, ein bizarrer kleiner Kommentar zum Amerika des 20.
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