Hell's Angels (German Edition)
würden, und sollte jemals ein Trio durchreisender Motorradfahrer von der Ostküste nur deshalb eingelocht, weil sie gemeinsam durch die Stadt fuhren, hätte die Verordnung sicherlich vor Gericht keinen Bestand. Ihr einziger Sinn ist, der Polizei von Reno ein juristisches Mittel gegen die Hell’s Angels an die Hand zu geben. Und selbst die Angels könnten sie wahrscheinlich vor Gericht aushebeln, falls einer von ihnen bereit wäre, (1) ein Feiertagswochenende im Knast zu verbringen, (2) mindestens 100 Dollar Kaution zu stellen, (3) etliche Wochen später wieder mit einem Anwalt nach Reno zu kommen, um sich nicht schuldig zu bekennen und den Termin der Gerichtsverhandlung zu erfahren, (4) eine weitere Reise nach Reno zu unternehmen, wiederum mit einem Anwalt, um den Fall vor Gericht zu verhandeln, (5) aller Wahrscheinlichkeit nach für einen dritten Auftritt vor Gericht entweder nach Reno zurückzukehren oder ins nahe gelegene Carson City zu fahren, um vor einer höheren Instanz Berufung
gegen die Verurteilung einzulegen, und (6) genug Geld zusammenzukratzen, damit sich ein Anwalt die Zeit und Mühe macht, ein Plädoyer zu entwerfen, das den Staatsgerichtshof von Nevada davon überzeugt, dass eine lokale Renoer Verordnung verfassungswidrig, widersinnig und diskriminierend ist. 25
Gerechtigkeit ist in diesem Land nicht billig, und Leute, die auf ihrem Recht beharren, sind meist entweder verzweifelt oder von einer an Monomanie grenzenden Entschlossenheit. Die Hell’s Angels zählen nicht zu diesen Menschen – nicht einmal, wenn das bedeutet, dass sie die Freuden Renos drangeben müssen. Sie meiden nach Möglichkeit Orte, an denen die Chancen schlecht für sie stehen – juristisch oder anderweitig –, und wie die Chancen stehen, darüber sind sie im Allgemeinen recht gut im Bilde. Runs sind vor allem Partys, keine Kriegsspiele, und in Kleinstadtknästen steppt nicht gerade der Bär.
Man bedenke, welche Möglichkeiten dem Polizeichef einer abgelegenen Stadt mit zwanzigtausend Einwohnern – und 25 Polizisten – bleiben, wenn er erfährt, dass binnen Stunden dort drei- bis fünfhundert Motorrad-Outlaws zusammenkommen werden. Das Schlimmste, womit
er in neun Dienstjahren fertig werden musste, war ein Banküberfall, bei dem es zu einem kurzen Schusswechsel mit zwei Gangstern aus Los Angeles kam. Aber das ist schon lange her, und seitdem hat er eine ruhige Kugel geschoben – Unfälle auf dem Highway, ein paar Halbstarke und am Wochenende Schlägereien zwischen Betrunkenen in örtlichen Kneipen. Nichts, was er jemals erlebt hat, hat ihn darauf vorbereitet, sich einer Armee halb menschlicher Rocker zu stellen, einer modernen Jesse-James-Gang, berüchtigten Schlägern, die auf Polizisten eintreten, als wären es Kröten, und die, wenn sie erst einmal außer Rand und Band geraten, nur noch mit roher Gewalt zu bändigen sind.
Selbst wenn er über besondere Notstandsbefugnisse und ein Gefängnis verfügt, das groß genug für die ganze Bande ist, bleibt immer noch das Problem, dass man sie dazu bringen muss, sich zu ergeben. Zwei seiner Männer sind krank und zwei sind im Urlaub, bleiben ihm also noch einundzwanzig, Er notiert auf seiner Schreibunterlage ein paar Zahlen: einundzwanzig Männer, jeder mit einer Flinte (fünf Schuss) und einem Revolver (sechs Schuss) bewaffnet, damit könnte er aus einem klug angelegten Hinterhalt zweihundert Feinde ausschalten – wobei noch hunderte übrig blieben, die nun rasend wären vor Furcht und Wut. Sie könnten verheerende Schäden anrichten, und ein Hinterhalt kommt wegen der albtraumhaften Publicity ohnehin nicht infrage. Was würde der Gouverneur des fortschrittlichsten Bundesstaates der USA dazu sagen, wenn ein Hinterwäldler-Polizeitrupp am Unabhängigkeitstag vorsätzlich zweihundert amerikanische Staatsbürger massakriert?
Die Alternative bestünde darin, die Gesetzlosen in die
Stadt zu lassen und zu versuchen, sie zu beobachten, zumindest so lange, bis sie Ärger machen. Aber das könnte jederzeit und ohne Vorwarnung zu einem Kampf Mann gegen Mann führen: Der Feind hätte genug Zeit, sich vollzudröhnen und in Stimmung zu bringen, Zeit, seine Waffen in Stellung zu bringen und das Terrain zu sondieren. Wenn man sich den ganzen Abend lang ans Telefon hängt, könnte man aus benachbarten Städten und Countys fünfzig bis fünfundsiebzig Mann Verstärkung zusammenrufen, aber an einem Feiertagswochenende kann keine Polizeitruppe viele Männer entbehren, und diese
Weitere Kostenlose Bücher