Hell's Angels (German Edition)
asphaltierte Schnellstraße, die bis zum Yosemite-Nationalpark führt. Die andere Zufahrt ist etwa fünfzig Meilen kürzer, besteht aber aus einem Gewirr von
Abzweigungen und teils unbefestigten Straßen durchs Gebirge. Sie begann in Merced und führte dann hinauf nach Tuttle, Planada, Mariposa und Bootjack. Meiner Landkarte zufolge waren die letzten zwanzig Meilen anscheinend ein gekiester Ziegenpfad. Mein Wagen schnaufte zwar schon seit San Francisco, und die Vorderräder flatterten, aber dennoch bog ich in Merced links ab und trat das Gaspedal durch, um eine lange Achterbahnfahrt durchs Vorgebirge anzutreten. Nur zwei Outlaws, beide Freebiker, begingen den Fehler, die gleiche Strecke zu nehmen. An einem kam ich vorbei; er kniete bei einer alten Tankstelle nahe Mormon Bar vor einer Straßenkarte. Der andere überholte mich mit einem Mädel hinten drauf bei der Fahrt hinauf nach Mariposa. Mittags war es vierzig Grad heiß, und die braunen kalifornischen Hügel sahen aus, als könnten sie jeden Moment in Flammen aufgehen. Das einzige Grün in der ganzen Landschaft waren die Scrub Oaks über dem Tal. Leute, die sich da angeblich auskennen, behaupten, diese knorrigen kleinen Eichen der Art Quercus dumosa wüchsen nur an zwei Orten: in Kalifornien und Jerusalem. Auf jeden Fall brennen sie gut, und wenn weiter unten das Gras in Brand gerät, hat die freiwillige Feuerwehr vor allem die Aufgabe, die Flammen von den Eichen fern zu halten, die dort in dem trockenen Wind kauern wie eine Armee ängstlicher Jungfrauen, ein potenzieller Feuersturm, der nur auf einen Funken wartet.
Ich quälte mich gerade hinter einem Löschfahrzeug den Hang hinauf, als der Freebiker an mir vorbei brauste. Er hatte das lahme Tempo offenbar satt und hatte den zweiten Gang eingeworfen, fuhr ihn voll aus, bis er auf gleicher Höhe mit mir war, und warf dann den dritten rein. Die Feuerwehrleute glotzten, als wäre da gerade ein Eisbär über die Straße gelaufen. Die Maschine war im Nu verschwunden,
aber den Schalt- und Kupplungslärm trug der Wind weiter wie das Donnern eines vorüberfliegenden Düsenflugzeugs. Und in diesem Moment erhaschten die Feuerwehrleute einen Blick auf den haarigen Fahrer, auf das Hakenkreuz auf dem Tank seiner Maschine und auf das Mädel auf dem Sozius – ein Anblick, der für ihre Gebirgsmenschenaugen so unsagbar fremdartig war, dass sie nicht anders konnten, als ihn mit offenem Mund anzustarren.
Ein paar Meilen westlich von Mariposa, schon im Gebirge, hörte ich eine weitere Radiomeldung: »Der Hell’s-Angels-Motorradclub ist in Bass Lake eingetroffen, und seine Mitglieder versuchen Berichten zufolge, in das Urlaubsgebiet vorzudringen. Die Behörden, die eine gerichtliche Verbotsverfügung erwirkt haben, errichten Straßensperren, um die Motorradfahrer während des langen Feiertagswochenendes aus dem Gebiet herauszuhalten.«
Wenn die Straßensperren strategisch günstig platziert wurden, konnten sie ein Treffen verhindern, indem sie die Zufahrt zu den öffentlichen Campingplätzen in den Wäldern des Nationalparks versperrten und die Outlaws so dazu zwangen, sich an Orten zu versammeln, an denen sie durch die bloße Art ihrer Zusammenkunft ganz gewiss gegen irgendeine Verordnung des Countys oder der Gemeinde verstießen. Eine Sperre in Oakhurst, kurz vor dem Nationalpark, hätte eine Situation geschaffen, in der man die Angels ohne weiteres hätte festnehmen können, weil sie entweder den Highway versperrten oder davon abfuhren und damit auf ein Privatgrundstück vordrangen. Mit etwas Fantasie hätte man die Straßensperren so aufstellen können, dass eine Gruppe von Outlaws gezwungen gewesen wäre, nach Süden auszuweichen und eine andere nach Norden. Den Behörden standen alle möglichen Mittel zur Verfügung, um ein Treffen der Hell’s Angels in Bass Lake
zu verhindern. Aber es war die gleiche alte Geschichte: Die Polizei rechnete mit mindestens fünfhundert Wilden, die auf eine Massenschlägerei aus waren. Straßensperren würden sie aufhalten, aber wie lange? Und was dann? Die Vorstellung, dass die Angels zweihundert Meilen weit zu einer Party fuhren und sich dann zehn Meilen vor ihrem Ziel durch eine Straßensperre zur Umkehr zwingen ließen, war offensichtlich Wunschdenken. Es würde zweifellos zu Gewalttätigkeiten kommen, zu einem blutigen Zusammenstoß auf einem wichtigen Highway, und der Feiertagsverkehr würde sich meilenweit stauen. Die Alternative bestand darin, sie passieren zu lassen, aber das barg
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