Hell's Angels (German Edition)
plaudern. Dann folgte, einer Version zufolge, ein skrupelloser Angriff aus dem Hinterhalt:
»Fahren Sie morgen bei dem Motocrossrennen mit?«, fragte einer der Jugendlichen.
Ed wollte gerade verneinen, da schlich sich der sechste Mann von hinten an ihn heran.
»Der hat mich einfach so vom Bock gehauen«, erzählte Ed mit einem Schaudern. »Hat mir mit einem Rohr, das zwei Meter lang und fünf Zentimeter dick war, eins übergebraten. Mir wäre fast der Kopf geplatzt. Ich dachte, mich rammt eine Lok!
Die sechs jungen Männer hatten getrunken. Der einzige Grund, der mir einfällt, warum sie das getan haben, ist, dass sie sich einen Namen machen wollten«, beklagte sich Ed. »Das waren ›Normalbürger‹, und die waren seit etwa fünf Tagen am
Trinken. Die anderen ›Normalbürger‹ auf dem Campingplatz haben befürchtet, wir würden wiederkommen und sie zusammentreten. Ein paar von denen hatten solche Angst, dass sie ihre Zelte abgebrochen haben und abgehauen sind. ›Lieber umziehen als kämpfen‹, haben die gesagt.«
Dieser absurde, erlogene Bericht stand in einem, wie man in der Branche sagt, »Kiosk-Quickie« mit dem Titel »Die wahre Geschichte der Hell’s Angels und anderer ›Outlaw‹-Motorradbanden«. Zusammengeschmiert wurde er von dem Fotografen, den man später wegen »Behinderung der Polizei« festnahm, und obwohl er einige hervorragende Fotos enthielt, stammte der Text offensichtlich von jemandem mit dem Talent eines Whittaker Chambers.
Dennoch beharrt Dirty Ed heute – in der Öffentlichkeit – darauf, diese »wahre Geschichte« käme der Wahrheit tatsächlich ziemlich nahe, kichert aber nachsichtig über Sätze wie »Die sechs jungen Männer hatten getrunken... Lieber umziehen als kämpfen« sowie über die hirnrissige Behauptung, er habe irgendwie die genaue Dicke und Länge des Rohrs, mit dem man seine Kopfhaut platzen ließ und das er nie zu Gesicht bekam, erspürt. Zwanzig Jahre in Outlaw-Kreisen haben seine Meinung über die Presse und über die Welt der fiesen Spießer, die sie seiner Meinung nach repräsentiert, nicht gerade verbessert. Er würde einem Reporter genauso wenig vertrauen wie einem Polizisten oder Richter. Für ihn sind sie alle gleich: Kettenhunde der teuflischen Verschwörung, die ihn all die Jahre lang gepiesakt hat. Er weiß, dass irgendwo jenseits dieser sozialen Kluft der große Oberbulle seinen Namen auf eine Tafel in der großen Einsatzzentrale
gekrakelt hat – mit einem Vermerk daneben: »Schnappt den Typ, lasst ihm keine Ruhe, er ist unverbesserlich, wie ein flohverseuchter Hund, der sich kratzt.«
Dirty Ed ist sein ganzes Erwachsenenleben lang Motorrad-Outlaw gewesen. Er arbeitet als Motorrad- und Automechaniker in den Städten der östlichen Bay Area, hat aber keinen beruflichen Ehrgeiz. Mit seinen 1,85 und den knapp hundert Kilo sieht er aus wie ein bierbäuchiger Catcher. Sein Haar wird auf der Stirn kahl und an den Schläfen grau. Wenn er sich den dünnen Chinesenbart abnehmen würde, würde er fast distinguiert aussehen. So sieht er nur gemein aus.
Später an diesem Abend, mit einem Bier in der Hand am Lagerfeuer stehend, erzählte er kurz von dem Zusammenstoß. Die acht Stiche an seinem Kopf hatten jeweils einen Dollar gekostet, und er hatte bar bezahlen müssen. Das war für ihn das Schlimmste an der Sache. Mann, acht Dollar: Das war eine Kiste Bier und das Benzin für die Rückfahrt nach Oakland. Im Gegensatz zu den jüngeren Angels muss Ed immer untertreiben, was die Action angeht, und sein knallhartes Image wahren. Er ist länger dabei als fast alle anderen und lange genug, um zu wissen, dass man ihm kein Mitgefühl entgegenbringen wird, wenn er anfängt, sich sein Alter anmerken zu lassen. Nur wenige der jüngeren Angels hätten mit quietschenden Reifen auf der Straße gewendet und wären zu den fünf Rotznasen zurückgefahren, die ihnen eine Beleidigung zugerufen hatten. Dirty Ed aber tat das. Er würde mit seiner Maschine auch in einen Fluss fahren, um dort gegen einen Elchbullen zu kämpfen, wenn er glauben würde, das Tier habe ihn blöd angegafft. Wahrscheinlich war es für alle ein Glück, dass ihn die Jugendlichen von seiner Maschine schlugen, ehe er einem von ihnen etwas antun
konnte. Der Polizei erzählten sie, sie seien in Panik geraten, als er gewendet habe und auf sie zu gekommen sei, völlig grundlos, wie sie meinten. Dass sie rein zufällig ein Bleirohr dabei hatten, schien niemanden zu wundern.
Die jugendlichen Angreifer wurden
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