Hell's Angels (German Edition)
in Gewahrsam genommen – »um zu verhindern, dass wir sie kalt machen«, erklärte Barger – und nach Hause gebracht, wo man sie mit der Mahnung wieder frei ließ, den Outlaws das restliche Wochenende aus dem Wege zu gehen. Dass sie festgenommen wurden, lieferte Barger einen Vorwand dafür, den Zwischenfall auf sich beruhen zu lassen. Hätte man die Angreifer nicht festgenommen, hätten die Angels auf Vergeltung bestanden – vielleicht nicht sofort, aber diese Drohung hätte die Stimmung des Wochenendes komplett verändert. Wie sich dann zeigte, stellte die Festnahme jedermann zufrieden. Barger war nicht erfreut, aber nachdem er die Alternativen abgewogen und mit Baxter gesprochen hatte, beschloss er, dem fragilen Waffenstillstand noch eine Chance zu geben. Seine Legionäre stimmten dem zu – was sie aber auch getan hätten, wenn er zu einem Frontalangriff auf das Haus des Sheriffs geblasen hätte. Als er sich aber für Besonnenheit, Frieden und noch mehr Bier entschied, wirkten die anderen sichtlich erleichtert. Sie hatten ihr Gesicht gewahrt, ohne dass sie hatten kämpfen müssen, und ihnen blieben immer noch zwei Tage Party.
Die Outlaws haben nichts gegen einen Kampf, auch nicht, wenn sie sich dabei Verletzungen zuziehen, aber festgenommen zu werden, kann eine ausgesprochen kostspielige Angelegenheit sein. Wenn man sie ins Gefängnis sperrt, müssen sie eine Kaution stellen, um wieder herauszukommen, und im Gegensatz zu einem anständigen Staatsbürger, der über eine Arbeitsstelle oder Grundeigentum
oder wenigstens über Freunde verfügt, die für den Betrag bürgen können, bleibt den Angels nichts anderes übrig, als sich an ihre professionellen Kautionsbürgen zu wenden. Jedes Chapter hat einen, und er steht rund um die Uhr auf Abruf bereit. Wenn nötig, fährt er mitten in der Nacht zweihundert Meilen weit, um einen Angel aus dem Gefängnis zu holen. Sein Honorar für diese Dienstleistung beträgt zehn Prozent des Betrags, für den er bürgt; und in ländlichen Gegenden wird einem Hell’s Angel, der im Knast landet, unweigerlich die Höchstkaution aufs Auge gedrückt, die bei Trunkenheit am Steuer und tätlichen Angriffen 5.000 Dollar betragen kann und bei Erregung öffentlichen Ärgernisses 2.500 – was dem Kautionsbürgen 500 beziehungsweise 250 Dollar einbringt. Diese Gebühren werden nicht zurückerstattet; sie sind gewissermaßen die Zinsen für ein kurzfristiges Darlehen. Da die Angels aber so gute Kunden sind, gewähren einige Bürgen ihnen einen Gruppentarif und senken je nach Gegebenheit die Gebühren. Die Outlaws wissen ihre Kautionsbürgen zu schätzen und drücken sich bei ihnen nur selten vor ihren Verpflichtungen, auch wenn viele so tief bei ihnen in der Kreide stehen, dass sie ihre Schulden in wöchentlichen Raten von zehn oder fünfzehn Dollar abstottern.
Dem Kautionsbürgen des Frisco-Chapters widerfuhr einmal der unverhoffte Glücksfall von 46 Festnahmen in einer einzigen Nacht zu jeweils 100 bis 242 Dollar. 34 Im Clubhaus fand eine Razzia statt, und die Anwesenden – darunter auch achtzehn Mädels – wurden inhaftiert wegen
des »Verdachts auf (1) Raub, (2) Angriff mit tödlichen Waffen, (3) Besitz von Marihuana, (4) Unterschlupfgewährung für flüchtige Rechtsbrecher, (5) Verschwörung mit dem Ziel der Unterschlupfgewährung für flüchtige Rechtsbrecher und (6) Förderung der Straffälligkeit Minderjähriger.«
Es war eine spektakuläre Festnahme, die fette Schlagzeilen machte, aber sämtliche Beschuldigungen wurden fallen gelassen, als die Angels Gegenklage wegen Verfahrensmängeln einlegten. Keiner der 46 wurde je vor Gericht gestellt, geschweige denn verurteilt – und dennoch mussten sich alle, die man bei der Razzia festgenommen hatte, zur Zahlung von zehn Prozent der Kaution verpflichten, um aus dem Gefängnis zu kommen. Sie hatten keine andere Wahl. Sie haben keine Freunde, die willens oder wohlhabend genug wären, mitten in der Nacht 2.500 Dollar in bar oder an Sachwerten bereitzustellen – und auch nicht am nächsten Tag. Schecks werden nicht akzeptiert, und kein Gericht hat je einen Hell’s Angel auf dessen schriftliche Versicherung hin, zur Verhandlung zu erscheinen, auf freien Fuß gesetzt. Die einzige Möglichkeit, aus dem Knast herauszukommen, besteht darin, den Kautionsbürgen zu bezahlen, und der wird nur tätig, wenn man kreditwürdig ist. Ein Outlaw, der sich einmal vor diesen Verpflichtungen gedrückt hat, sitzt im Knast, bis er schwarz
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