Hell's Angels (German Edition)
wird.
Kautionsbürgin des Oakland-Chapters ist eine attraktive Frau mittleren Alters mit platinblondem Haar namens Dorothy Connors. Sie hat ein mit Kiefernholz getäfeltes Büro, fährt einen weißen Cadillac und geht behutsam mit den Angels um, wie mit verwahrlosten Kindern. »Diese Jungs sind die Hauptstütze unserer Branche«, sagt sie. »Normale Kunden kommen und gehen,
aber die Angels kommen pünktlich jede Woche in mein Büro, um ihre Zahlungen zu leisten. Das deckt tatsächlich meine Grundkosten.«
In Bass Lake wurde die Lage zusätzlich kompliziert durch die gerichtliche Verfügung, die der Polizei zufolge jegliche Freilassung auf Kaution ausschloss, selbst wenn ein Bürge einsprang. Dennoch war die Stimmung in Willow Cove bei Sonnenuntergang gelöst und fröhlich. Man hatte das Gefühl, dass die Krisen ausgestanden waren und man sich jetzt ans Saufen machen konnte.
Gemäß ihres Ethos’, alles exzessiv zu betreiben, saufen die Angels mit einer Entschlossenheit, die kaum noch menschliche Züge trägt. Ihr Ideal ist das ganz große Gelage. Bei sich daheim betrinken sie sich nur selten, aber auf Partys schnappen sie völlig über – brüllen dummes Zeug und taumeln blindlings ineinander wie Fledermäuse in einer Höhle. Das Lagerfeuer ist immer eine Gefahr. Bei einem Run fiel Terry einmal ins Feuer und zog sich dabei so schwere Verbrennungen zu, dass man ihn schnell ins Krankenhaus bringen musste. Diejenigen, die das Feuer lieber meiden und auch nicht so gern mit der Faust auf Windschutzscheiben einschlagen, können jederzeit auf ihren Maschinen losbrausen und sich eine bevölkerte Gegend suchen, wo sie ihre Show abziehen.
1957 nahmen einige hundert Outlaws an einer desaströsen Fahrt nach Angels Camp statt, wo die American Motorcycle Association in Verbindung mit dem dort alljährlich stattfindenden Froschwetthüpfen ein großes Rennen veranstaltete. Viele der besten Fahrer des ganzen Landes waren anwesend und dazu noch gut dreitausend weitere Motorradfahrer. Die Angels waren nicht eingeladen, fuhren aber dennoch hin – wissend, dass ihre Anwesenheit Gewalttätigkeiten auslösen würde.
Der AMA gehören alle möglichen Motorradfahrer an – von denen mit 50-Kubikzentimeter-Hondas bis hin zu Anhängern der 74er Harley Fulldresser –, aber im Mittelpunkt stehen die Rennfahrer, Profis wie auch Amateure, die ihre Maschinen sehr ernst nehmen, viel Geld dafür ausgeben und das ganze Jahr hindurch Motorrad fahren. Eine gute Party besteht nach ihrer Vorstellung aus einer Diskussion über Übersetzungsverhältnisse oder die Vorzüge oben liegender Nockenwellen. Anders als die Outlaws unternehmen sie häufig lange Reisen, entweder allein oder zu zweit oder zu dritt, und oft in Gegenden, in denen jeder Motorradfahrer automatisch wie ein Hell’s Angel behandelt wird, wie ein vergewaltigender, brutaler Kerl, der es nicht verdient, gemeinsam mit zivilisierten Menschen zu essen und zu trinken. Das hat sie verbittert, und die meisten von ihnen können nicht über die Angels sprechen, ohne wütend zu werden. Das Verhältnis zwischen den beiden Gruppen ist nicht ganz so giftig wie das zwischen Eulen und Krähen – die aufeinander losgehen, sobald sie einander sehen –, aber die innere Einstellung entspricht dem im Wesentlichen. Im Gegensatz zur Allgemeinheit haben viele Rennfahrer schon unangenehme Erfahrungen mit den Outlaws gemacht, denn sie bewegen sich in der gleichen kleinen Welt. Ihre Wege kreuzen sich in Motorradwerkstätten, bei Rennen oder an spätabends noch geöffneten Hamburgerbuden. Den anständigen Bikern zufolge sind die Angels schuld am schlechten Image des Motorrads. Sie geben den Outlaws die Schuld an vielen unangenehmen Dingen im Leben eines Motorradbesitzers – von den Schikanen durch die Polizei über die Ablehnung durch die Öffentlichkeit bis hin zu den teuren Versicherungstarifen.
Die »Anständigkeit« der AMA-Mitglieder ist natürlich
relativ. Viele sind genauso fies und verlogen wie ein x-beliebiger Hell’s Angel, und es gibt einen harten Kern – vor allem Rennfahrer und Mechaniker –, der alles Mögliche anstellt, um sich mit Outlaws anzulegen. AMA-Offizielle dementieren das aus nahe liegenden Gründen, bezeichnen die Angels aber fast im gleichen Atemzug als kriminellen Abschaum. Ich habe gehört, wie Polizisten Motorrad-Outlaws als »Untermenschen« und »Abschaum der Menschheit« bezeichneten, aber sie tun das mit einem gewissen Maß an Selbstbeherrschung. Die meisten
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