Hell's Angels (German Edition)
Ford Model A ohne Profil auf den Reifen, ohne Auspufftopf und mit nur einem Scheinwerfer, auf der Suche nach einem schnellen Job, bei dem man keine Frage gestellt bekommt und möglichst auch keine Abzüge hat. Nur den Lohn einstreichen, an der nächsten Billigtankstelle voll tanken und dann wieder weiter, mit einem Bier auf dem Beifahrersitz, und im Radio singt Eddy Arnold wehmütige Countrysongs über trautes Heim, Glück allein, das Bluegrass-Sweetheart, das immer noch auf dich wartet, und die Rosen auf Mamas Grab.
Algren ließ die Linkhorns in Texas zurück, aber wer gelegentlich auf den Highways des Westens unterwegs ist, weiß, dass sie nicht dort geblieben sind. Sie zogen weiter, bis sie dann eines Tages Ende der Dreißigerjahre
auf dem Grat eines mit Scrub Oaks bewachsenen Hügels in Kalifornien standen und hinabsahen auf den Pazifischen Ozean – das Ende des Weges. Das Leben dort war eine Zeit lang hart, aber auch nicht härter als an hundert anderen Orten. Und dann kam der Krieg – und damit der Erfolg und das große Geld, sogar für Linkhorns.
Bei Kriegsende wimmelte es in Kalifornien von Veteranen, die überlegten, wofür sie ihre Entlassungsprämie ausgeben sollten. Viele entschieden sich, an der Küste zu bleiben, und während aus ihren neuen Radios Hillbillymusik erklang, gingen sie los und kauften sich schwere Motorräder – nicht genau wissend, warum –, nur dass es angesichts der Entwurzelung und der Boomstimmung jener Jahre genau das Richtige zu sein schien. Sie waren nicht alle Linkhorns, aber die erzwungene Demokratie der vier Kriegsjahre hatte so viele alte Unterschiede ausgelöscht, dass sogar die Linkhorns verwirrt waren. Die alte Tradition der Heirat zwischen Blutsverwandten war durchbrochen, ihre Kinder verkehrten mit den unterschiedlichsten Leuten, und das ohne Gewalt. Spätestens 1950 nahmen viele Linkhorns an der Geldwirtschaft teil; sie besaßen anständige Autos und sogar Häuser.
Andere jedoch hielten dem Druck des bürgerlichen Lebens nicht stand und gaben dem Drängen ihrer Gene nach. Es gibt eine Geschichte über einen Linkhorn, der in Los Angeles ein reicher Autohändler wurde. Er heiratete eine schöne spanische Schauspielerin und kaufte eine Villa in Beverly Hills. Doch nach einem Jahrzehnt des Lebens im Überfluss begann er nachts zu schwitzen und konnte nicht mehr schlafen. Er schlich sich durch den Dienstboteneingang aus dem Haus und lief ein paar Ecken weiter zu einer Tankstelle, bei der er einen getunten Ford Baujahr ’37 ohne Kotflügel abgestellt hatte –
und dann verbrachte er den Rest der Nacht damit, vor Spelunken und Truckstops herumzulungern, in einem dreckigen Overall und einem vor Schmutz starrenden grünen T-Shirt mit einem Bardhal-Emblem hinten drauf. Er hatte großen Spaß daran, Bier zu schnorren und mit Nutten, die seine unsittlichen Anträge verächtlich zurückgewiesen hatten, in der Gegend herumzubrettern. Eines Nachts kaufte er nach langem Gefeilsche etliche Einweckgläser voll schwarz gebranntem Whiskey und trank sie, während er durch Beverly Hills raste. Als der alte Ford schließlich den Geist aufgab, ließ er ihn stehen und rief sich ein Taxi, das ihn zu seinem Autohaus brachte. Er trat eine Hintertür ein, schloss ein zu tunendes Cabrio kurz und fuhr damit auf den Highway 101, wo er sich dann mit ein paar Jungs aus Passadena ein Beschleunigungsrennen lieferte. Als er verlor, machte ihn das so wütend, dass er dem anderen Wagen folgte, bis der an einer Ampel hielt – wo er ihn dann von hinten mit hundert Stundenkilometern rammte.
Der Medienrummel ruinierte ihn, aber einflussreiche Freunde verhinderten, dass er ins Gefängnis kam, indem sie einen Psychiater bestachen, woraufhin dieser ihm eine Geisteskrankheit attestierte. Er blieb ein Jahr lang in einem Pflegeheim, und heute betreibt er angeblich in der Nähe von San Diego einen Motorradladen. Leute, die ihn kennen, sagen, er sei glücklich – obwohl man ihm nach zahlreichen Vergehen den Führerschein entzogen hat, sein Geschäft kurz vor dem Bankrott steht und seine neue Frau, eine abgelebte ehemalige Schönheitskönigin aus West Virginia, eine halb wahnsinnige Alkoholikerin ist.
Es wäre unfair, zu behaupten, alle Motorrad-Outlaws hätten Linkhorn-Gene, aber wer schon einmal etwas Zeit
bei den inzestuösen angelsächsischen Stämmen der Appalachen verbracht hat, braucht nur ein paar Stunden lang Umgang mit den Hell’s Angels, um ein deutliches Déjà-vu zu verspüren. Da ist die
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