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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Leute ein, während sie sich auf Mary hinter dem Mikrophon zuarbeiteten. Frauen schrien.
    Und Mary brüllte ihre letzten Worte ins Mikrophon: »Folgt mir, Freunde, laßt uns zur Empire Properties marschieren und tun, was im Namen Gottes und der Gerechtigkeit geradezu danach schreit, getan zu werden!«
    Die Cops kamen jetzt durch den Haupteingang, und die Schläger mit den Baseballknüppeln arbeiteten sich schnell vom Seiteneingang vor, knüppelten jeden nieder, der ihnen in den Weg kam, und Mary Rooneys Partisanen mit ihren Baseballschlägern machten auf mich den Eindruck, den Mut zu verlieren. Und Mary Rooney selbst stand dort oben auf ihrer improvisierten Bühne, kaum mehr als ein breites Brett, das über zwei stählerne Ölfässer gelegt worden war, und sie schwenkte ihren Schläger über dem Kopf, und ihre Augen tanzten im Licht der Fernsehscheinwerfer.
    Und ich hörte den scharfen Knall eines Schusses, und dann noch mal. Mehr Schreie, mehr Menschen, die von Knüppeln zu Boden gestreckt worden waren.
    Und Mary brüllte: »Abschaum der Erde!« in ein totes Mikrophon.
    Dann der Knall eines letzten Schusses.
    Und Schreie. Und Mary Rooney stürzte von der Bühne. Ihr zerbrechlicher Körper flatterte im Scheinwerferlicht und landete lautlos auf dem Boden.
    Ich stieß ein halbes Dutzend Männer zur Seite, dann vorbei an fünfzehn oder zwanzig Fernseh-Ghuls. Und ich kniete über Mary Rooney, die auf der Seite lag. Ich drehte sie um, damit sie mich sehen konnte, und schob eine Hand unter ihren Kopf. Ihre Brust war mit feuchten roten Flecken gesprenkelt, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der mich - genau in diesem Augenblick und an diesem Ort, inmitten der Gewalt und Panik - an diese Unzahl Fotos in den Plastikrahmen von Woolworth auf dem Kaminsims in ihrer Wohnung denken ließ, Aufnahmen all der Generationen von blonden, blauäugigen Rooneys mit ihren stämmigen Beinen.
    Sie blinzelte, als sie mich sah, und vielleicht lächelte sie ja sogar. Sie stöhnte, beinahe angenehm.
    Dann, bevor sie nicht mehr war, sagte Mary Rooney: »Und, Hock, hab ich dir nicht versprochen, daß ich einen Mordskrawall veranstalten werde? Oh, Himmel, aber war das nicht mal eine nette, winzig kleine Revolution?«

25

    Aber hatte sie auch irgendeinen Sinn, Mary Rooneys nette kleine Revolution?
    Diese Frage stellte ich mir, während die Menge sich um mich scharte und raunte und ich Marys Kopf hielt und spürte, wie kalt er geworden war, und noch in ihrem Tod formten sich ihre Lippen zu einem süffisanten Grinsen. Und ich fragte es mich wieder, als sich der Notarztwagen durch die Menge vorkämpfte und Sanitäter mit einer Bahre hinten heraussprangen und einer von ihnen eine braune Decke über ihren Körper und ihr Gesicht legte.
    Der Mob hatte zu diesem Zeitpunkt sein Herz verloren. Langsam zerstreuten sich die fünf- oder sechshundert Mieter des Viertels, mit ein paar Schrammen auf Köpfen und Schultern und Händen, und Blut, das aus Ohren und Nasen und aufgeplatzten Lippen strömte. Den Leuten waren vor Angst die Knie weich geworden, Angst, die sehr schnell triviale Courage verdrängt, und während sie den Park verließen, sahen sie sich nach weiteren Körpern auf dem Boden um, doch da war nur derjenige Marys. Schüsse waren abgefeuert worden, und jeder hatte sie gehört, genau wie ich selbst; aber Mary allein war Opfer ihrer Revolution geworden.
    Und daher: Hatte es irgendeinen Sinn?
    Es konnten keine Festnahmen durchgeführt werden, nicht für irgendwelche konkreten Gewalttaten. Der Boden war mit Baseballschlägern übersät, doch keiner davon befand sich noch in den Händen von jemandem; niemand floh, niemand sah auch nur im geringsten fehl am Platz aus. Und im Hell’s Kitchen Park, wo man in den letzten Jahren nur auf sich selbst geachtet hatte, hatte niemand so etwas gesehen wie einen Knüppel, der auf einem Schädel landete, oder eine Kanone, die in die Luft gehoben wurde.
    Stunden später, im Revier, verhörten Streifenpolizisten einige Nachbarn meines eigenen und andere aus den nahegelegenen Häusern, die von der Empire Properties Real Estate Company verwaltet wurden. Dabei kam nur heraus, daß Mary Rooney fieberhaft dafür gearbeitet hatte, eine Demonstration geschädigter Mieter auf die Beine zu stellen. Sie hatte dafür gesorgt, daß jemand am anderen Ende der Telefonleitung bei der Empire Properties von der Protestversammlung erfuhr, und auch, daß Fernsehteams über das Ereignis berichten würden, nur für den Fall, daß es

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