Hell's Kitchen
zwei Szenarios eines Abends in Monas Wohnung rasten durch meinen Kopf.
»Du siehst also, Hock, ich bin ein Klassiker. Man sollte mich respektieren wie die alte Penn Station. Ich habe ein Leben mit einer Vergangenheit... und mit Details, sehr subtilen Details. Aber Respekt ist heutzutage selten geworden, und das Feingefühl ist irgendwann abhanden gekommen. Da du mich also danach gefragt hast - genau deshalb fühle ich mich ein bißchen beschissen.«
Ich zog meine Brieftasche und legte Geld für die Nummer Zwei, Monas Kakao und Wandas Trinkgeld auf die Theke. Und ich sagte: »Ich finde, du solltest das Reden übernehmen, wenn deine Gentlemen vorbeikommen. Ich mache jede Wette, du bist erheblich interessanter und komplizierter, als sie zu sein je vorgeben könnten.«
»Vielleicht möchtest du das irgendwann selbst rausfinden, Hock? Du könntest abends doch mal im Club vorbeikommen. Schick mir ein paar Blumen in die Garderobe, lad mich zum Essen ein. So was in der Richtung. Und, du weißt schon... et cetera.«
»Ich weiß nicht...«
Und wieder lachte Mona über mich, und wieder gefiel mir, was ich da hörte. »Und ich bin’s nicht allein«, sagte sie. »Außer mir sind da draußen noch eine halbe Million anderer Frauen, die gerne geben. Oder ist dir das noch nicht aufgefallen?«
»Doch, hab’s schon bemerkt. Mein Problem ist nur, im Augenblick ist mir nicht nach Nehmen.«
»Tja, ich liebe dich trotzdem, Detective Hockaday.« Dann rutschte Mona von ihrem Hocker, faltete die Zeitung zusammen und gähnte. »Bis bald. Ich muß jetzt nach Hause ins Bett. Allein. Es sei denn, du siehst es doch anders.«
Ich gab ihr einen Kuß auf die Wange, und sie ging. Ich auch.
Erst als ich ging, bekam ich Gesellschaft. Vielleicht hätte mich das überraschen sollen, aber das tat es nicht.
Er war schlank, groß und schwarz. Er trug einen dunklen Regenmantel und einen braunen Filzhut mit breiter Krempe. Ich konnte nicht genug von seinem Gesicht sehen, um sein Alter zu schätzen. Abgesehen davon stand er ein gutes Stück entfernt auf der anderen Straßenseite, als ich ihn entdeckte. In einem Hauseingang. Und rauchte.
Ich entschied, ihn mir eine Weile folgen zu lassen.
6
Inspector Tomassino Neglio ist - im Kontrast zu einem Mann der Straße - ein Büromensch. Was heißen soll, er ist ein Mann der Akten und Memoranden und Mittagessen im Rathaus und feinen Cocktailparties und Mondscheindiners auf Yachten, deren Gastgeber jene Leute sind, denen New York gehört, und die von einigen anderen Leuten besucht werden, die meinen, die Stadt schon allein wegen der Tatsache zu leiten, daß sie genau zu diesem Zweck gewählt wurden.
Früher mal war Neglio selbst Straßen-Cop, und ein guter und zäher dazu. Er wußte, daß die Welt damals begrenzt und dunkel und mit Fremden bevölkert war, die ihm nach Belieben schaden oder auch helfen konnten, sollten sie zufälligerweise auf die Stimmen ihrer besseren Engel hören. Doch heute sind seine Tage und Nächte größtenteils mit den besten Menschen gefüllt, wenn auch nicht immer in der besten Absicht.
Neglios Büro belegt die südöstliche Ecke einer höheren Etage in der One Police Plaza in Lower Manhattan. Er hat zwei Sekretärinnen, von denen eine kompetent ist, sowie vier Amtsleitungen, von denen er annimmt, daß mindestens eine aus langjähriger Tradition vom Büro des U.S. District Attorney abgehört wird. Im Vorzimmer wimmelt es von Cops, die gerade Bürodienst schieben müssen, was bedeutet, das Department hat guten Grund, vorübergehend nervös zu sein, wenn sie bei der Arbeit Waffen tragen. Neglio stehen ständig ein Polizeijurist, zwei uniformierte Beamte, die ihm überallhin folgen, um jedes Spatzenhirn mit hochfliegenden Ideen sofort zu entmutigen, und ein persönlicher Fahrer zur Verfügung.
Zu meiner Verfügung stand der U-Bahn-Shuttle vom Times Square zur Grand Central, wo ich die Bahn wechselte, um mit dem IRT Local runter bis zu dessen Endhaltestelle an der City Hall zu fahren, was nur einen Katzensprung von der Police Plaza entfernt ist. Punkt neun Uhr ließ mich ein aufgeweckter, schinkengesichtiger Sergeant, der die Leitung über Neglios Vorzimmer hatte, zu seinem Boss rein.
Er hatte am Fenster gestanden und über den grauen Hafen hinausgestarrt. Als ich eintrat, winkte er mich zu einer Nische, in der zwei lederne Clubsessel und ein Tisch mit einem Teeservice standen und von wo aus man einen Ausblick auf die Brooklyn Bridge hatte, die hübsch über dem East River
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