Hell's Kitchen
liebsten tot sehen wollte, und Mona Morgan sinnierte, über Howie Griffiths, Handlanger und Geldeintreiber des Vermieters und seine feuchten Hände, darüber, daß jemand in meinem Viertel einen Berufskiller suchte, und schließlich, daß Weihnachten vor der Tür stand und meine Ex die Stadt verließ -, kam mir beiläufig in den Sinn, daß alles, was während der letzten paar Tage um mich herum passiert war, kunterbunt und verschwommen durcheinanderwirbelte und wie ein sehr schneller Zug an mir vorbeirauschte.
Manchmal muß ich nichts anderes tun, als morgens wach zu werden, und schon fühle ich mich, als wäre ich bereits auf der anderen Seite. Das ist der Ort, wo eine ganze Menge Berufsrisiken auf meinen Kopf krachen wie ein Haufen nasser Schnee von einem altersschwachen Dach.
Das war jetzt einer dieser Augenblicke. Daher war ich nicht gerade in der besten Verfassung, um mich mit dem ersten Menschen befassen zu müssen, den ich sah, als ich die Eingangshalle der One Police Plaza verließ.
Das war mein Schatten.
Inzwischen war er mir so vertraut, daß ich ihn von hinten erkannte. Er trug einen dunklen, olivfarbenen Regenmantel und einen braunen Borsalino, dessen Krempe tief in die Stirn gezogen war, wodurch er meiner Meinung nach wie die ideale Besetzung für einen Agentenfilm aussah; in einer Hand hielt er eine Zigarette und einen zusammengerollten Regenschirm in der anderen. Er stand vor einem leeren Schaufenster, in dem er mein Spiegelbild beobachtete.
Mir war danach, dem Kerl jetzt und hier ein paar Dinger zu verpassen, da ich es gar nicht mag, beschattet zu werden, und ohnehin stinksauer war, weil ich mit einem ausgewachsenen Kater hatte aufstehen müssen. Aber ich fand, ich müßte absolut sichergehen, daß es sich hier um denselben Burschen handelte, der sich letzte Nacht so für mein Wohnungsfenster interessiert hatte. Außerdem meinte ich, es wäre nicht gerade im Sinn einer positiven Öffentlichkeitsarbeit, wenn ein weißer Cop einen schwarzen Zivilisten in unmittelbarer Nachbarschaft des Polizeipräsidiums zusammenschlug. Also ging ich zum Broadway und machte mich auf den Weg Richtung Uptown.
Auf der Chambers Street entdeckte ich einen Penner mit einem großen Schild um den Hals. Er versuchte, Geld von Autofahrern zu schnorren, die über die Brooklyn Bridge nach Manhattan kamen. Als ich nahe genug war, um das Schild lesen zu können, gefiel mir sein offensichtlicher Unternehmungsgeist: »VERSUCHE $ 1 000 000 FÜR WEINFORSCHUNG AUFZUBRINGEN.« Also spendete ich einen Buck. Der Penner legte eine Hand auf meine Schulter und meinte: »Gott segne dich, Junge.« Und ich drehte den Kopf zur Seite, um den Muskatellerdämpfen auszuweichen, und konnte dabei aus den Augenwinkeln einen guten Blick auf den Burschen in dem olivfarbenen Trench werfen.
Dann betrat ich die Südspitze des Parks vor der City Hall und spazierte in Richtung Parkmitte, als wollte ich zur IRT-U-Bahnstation. Die einzigen anderen Parkbesucher an diesem Morgen lagen auf Pappkartons, die sie zum Schutz gegen die Kälte auf Bänken ausgebreitet hatten. Alte Zeitungen dienten als Decken, und für die innere Wärme gab es Halbliterflaschen Thunderbird- Wein. Als ich hinter mir trockene Blätter unter Schritten rascheln hörte, ging ich zu einer Baumgruppe hinüber, wo ich von vorbeifahrenden Autos auf dem Broadway nicht zu sehen war.
Als ich anhielt, blieb auch er stehen.
Als ich mich dann umdrehte, blitzschnell hinkniete, die .38er Special zog, abstützte und das ernste Ende des Revolvers auf das Gesicht meines Schattens richtete, flogen Schirm und Zigarette sofort aus seinen Händen. Er riß die Arme hoch und stieß eine Menge Atemwolken zwischen uns, bevor er endlich herausbrachte: »He, Mann, das müssen Sie nicht tun... Sie verstehen da was falsch... He, Mann, ich bin unbewaffnet... Stecken Sie das Ding wieder weg... Oh, bitte, Mann...«
Ein paar Sekunden sagte ich gar nichts. Durch Schweigen und eine gezogene Kanone erhält man ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Auf den Bauch!« bellte ich ihn an. »Sofort!«
Er gehorchte, und ich ging langsam zu ihm. Die Kanone hielt ich dabei immer auf ihn gerichtet. Man konnte nie wissen.
Als ich gerade außerhalb seiner Reichweite über ihm stand, durfte er sich Sorgen darüber machen, was ich wohl mit dem Revolver vorhatte, mit dem ich genau auf seinen Kopf zielte. Und ich taxierte ihn.
Er trug einen teuren Hut, der vielleicht mehrere hundert Dollar gekostet hatte. Jetzt würde er ihn gründlich
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