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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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fügte Roy hinzu: »Ich möchte, daß Sie wissen, wie aufrichtig dankbar wir Ihnen sind, das Leben unseres geliebten Pastors gerettet zu haben.« Doch so, wie er es sagte, und angesichts der jetzt unmißverständlichen Ungeduld in seiner Miene, fühlte ich mich im Holy Stream Deliverance Temple ungefähr genauso willkommen wie ein Kondom auf einem der Kollekteteller.
    »Setzen Sie sich, Roy.« Ich deutete auf den Sessel mir gegenüber. Er setzte sich, und ich musterte ihn aufmerksam.
    Roy hatte etwa meine Größe, eins achtzig. Aber er war schwerer. Nicht fett, aber um Brust, Schultern und Beine kräftiger als ich. Seine Haut war dunkelbraun, er hatte klare, schwarze Augen und einen selbstsicheren Blick. Ein Mann von der Sorte, der eine Uniform anziehen und jede Armee überallhin führen konnte. Seine Hände waren groß und gepflegt, die makellosen Hände eines Gentleman. Er hielt sie auf seinem Schoß verschränkt, und er saß gerade in dem Sessel. Ich schätzte ihn auf dreißig, plus oder minus zwei Jahre.
    »Erzählen Sie mir von sich«, forderte ich ihn auf. »Zunächst mal, wie lautet Ihr vollständiger Name?«
    »Roy S. Dumaine. Das S steht für Saunders, was der Mädchenname meiner Mutter ist.« Er kehrte wieder zu seiner monotonen Sprechweise zurück.
    »Wie lange sind Sie schon bei Father Love, und was genau tun Sie für ihn?«
    »Oh, ich gehöre dieser Kirche hier schon seit meiner Kindheit an. Ich stamme hier aus diesem Viertel, und, wissen Sie, wir sind aufgewachsen mit Father Loves Gottesdiensten jeden Sonntagabend im Radio.«
    »Und da haben Sie sich gedacht, Sie würden auch gern sein wie Father Love, habe ich recht?«
    »Nun, ich erinnere mich, wie ich mit siebzehn gedacht habe, ich könnte vielleicht Priester werden. Ich konnte gut mit Menschen umgehen, und es hat mir schon immer daran gelegen zu sehen, daß sie trotz ihrer miesen Ausgangschancen weiterkamen.«
    »Und, predigen Sie heute?«
    »Der einzige echte und wahre Prediger hier ist Father Love. So ist das. Sie können mich vielleicht manchmal im Radio hören, aber nur, um etwas anzukündigen. Es ist allein Father Loves Show.«
    »Und wie passen Sie dann da rein?«
    »Wenn mein Job eine Bezeichnung hätte, würde ich sagen, man könnte mich einen leitenden Assistenten nennen. Schon seit meinem siebzehnten Lebensjahr kümmere ich mich ganz allgemein um alles, was getan werden muß. Seit etwa vier, fünf Jahren werde ich dafür auch bezahlt, und heute widme ich Father Love meine gesamte Zeit.«
    »Und kaufen Sie ihm die ganze Show ab, Roy?«
    Dumaine lächelte, jetzt allerdings unterkühlt. Als hätte er diese abfällige Art von Fragen auch früher schon gehört, besonders von Weißen. Er fragte: »Was sind Sie, Hockaday, Katholik?«
    Was ich ihm bestätigte.
    »Nun, da Sie dann ja die größte und knalligste Inszenierung gewohnt sind, die wir hier in der Stadt haben, vermute ich mal, daß Sie vielleicht auf uns hier in Harlem herabsehen und denken, wir seien vergleichsweise nur eine miese kleine Zirkusshow.« Und dann entfaltete er seine Hände, beugte sich vor und stach mit einem Finger in meine Richtung und sagte: »Aber wenn’s Ihnen nichts ausmacht: Kommen Sie nicht hier rauf, um mir zu erzählen, daß Father Love mehr -oder weniger - ist als euer Mann in Downtown mit all seinen Ringen und diesem komischen Hut, verstanden?«
    In Dumaines Tonfall lag eine unfreundliche Herausforderung und in seinen schwarzen Augen ein sogar noch erheblich unfreundlicheres Funkeln. Aber trotzdem hätte ich ihm in diesem Punkt vielleicht recht gegeben - wäre da nicht der fürchterliche Gedanke gewesen, es später beichten zu müssen. Also provozierte ich ihn statt dessen einfach noch ein bißchen mehr, etwas nachgebend, was ich über die Jahre als meinen perversen Instinkt schätzen und respektieren gelernt habe, einen Menschen zu beurteilen und einzuschätzen.
    »Ich schaue mich hier um und frage mich, kann dieser Waterman - sorry, Father Love... kann dieser Bursche durch ein Nadelöhr gehen?«
    Roy schüttelte den Kopf. »Lassen Sie sich von mir mal etwas über die Menschen dieser Kirche sagen. Wir hier oben wissen alles über Armut, und daher denken wir ganz sicher im Traum nicht daran, sie weder Father Love noch einem anderen zu wünschen.«
    Wieder hatte er nicht unrecht, und ich wußte es. Ich genoß diese Unterhaltung ebensosehr, wie Roy sie haßte.
    »Nun, lassen Sie mich folgendes sagen«, sagte ich. »Sie und ich, wir sitzen hier in einem Raum, der

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