Hell's Kitchen
immer noch im Besitz meiner Brieftasche war, etwas, das man in New York mehrmals täglich macht, es sei denn, man ist mittellos oder glaubt, man hätte einen Schutzengel. Ich hatte die Brieftasche noch. Und daneben die fünf Morddrohungen auf den Visitenkarten, die im Healing Stream Deliverance Temple bei der Kollekte aufgetaucht waren.
Als ich meine Hand wieder aus der Tasche zog, kamen die fünf Karten mit. Und dann rempelte der Sommelier gegen meinen Ellbogen, der plötzlich um den Tisch herumklackerte und mit seinem Korkenzieher herumfuhrwerkte.
Daher legte ich, ohne groß darüber nachzudenken, die fünf Karten neben meinen Brotteller.
Ich probierte den Givry und roch am Korken und beschloß, daß es tatsächlich ein Burgunder war. Ich sagte, ich sei mit seinem Vorschlag einverstanden. Und dann bestellten wir das Essen.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, was wir aßen oder ob es etwas taugte. Allerdings erinnere ich mich, Mona dabei beobachtet zu haben, wie sie Bissen von ihrem Teller hob und sie behutsam in ihren Mund schob; und daß ich etwas so natürlich Elegantes nicht mehr gesehen hatte, seit ich sie dabei beobachtet hatte, wie sie neulich in unserem Imbiß an der Forty-second Street ihre Lippen mit einer Papierserviette abgetupft hatte.
Und ich erinnere mich, mich vielleicht zum tausendsten Mal gefragt zu haben, wie es kommt, daß so wenig Frauen eine klare Vorstellung von der Magie haben, die ihre schlichte Schönheit auf so viele von uns Männern ausübt.
Der Kaffee kam.
»Kürbiskuchen«, sagte Mona. »Es geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich vermute, es liegt wohl an der Jahreszeit. Was machst du übrigens Thanksgiving, Hock?«
»Darauf warten, daß es vorbeigeht.«
Nachdem ich das gesagt hatte, erkannte ich, wie verbittert sich das anhören mußte. Daher bat ich Mona, mich nicht weiter zu beachten, da dies meine ersten Feiertage solo seien.
»Du hast gerade meinen Appetit auf den Nachtisch gekillt«, sagte Mona. »Einem Burschen gegenüberzusitzen, der immer noch von seiner Ex besessen ist, bewirkt so was, falls du das noch nicht wußtest.«
Ich sagte, es täte mir leid.
»Dann tut’s dir also leid, na und? Du solltest lernen, was Besessenheit ist, Hock, und daß es nicht gesund für dich ist.«
»Was ist denn deiner Meinung nach Besessenheit?«
»Es ist das, was übrigbleibt, wenn eine Liebesbeziehung jeden Respekt verloren hat.«
Ich wollte mir Burgunder nachschenken. Mona ließ mich die Flasche wieder hinstellen.
»Heb etwas für mich auf«, sagte sie. »Und ich meine damit nicht, ich will etwas zu trinken.«
»In Ordnung«, sagte ich. Ich trank einen Schluck Kaffee. »Und es wird kein Wort mehr über eine andere Frau außer dir geben.«
»Jetzt klopfen wir aber Sprüche, was?«
Mona zeigte auf die fünf Karten, die ich auf den Tisch gelegt hatte. »Übrigens, was in aller Welt ist das da eigentlich?«
»Indizien.«
»Oh, das mag ich.«
Bis zu diesem Augenblick war es mir nicht in den Sinn gekommen, daß ich mit Mona Morgan über Indizien in dem Fall reden könnte, an dem ich gerade arbeitete. Mona war schon seit Jahren einer meiner regelmäßigen Kontakte, konnte meistens nützliche Dinge bestätigen, die ich von meinen Spitzeln bekam, da sie vieles hörte, womit sie nicht notwendigerweise selbst etwas zu tun haben mußte. Aber wenn ich mit ihr jetzt über den Fall redete, würde ich natürlich nicht die geringsten Schwierigkeiten haben, die Rechnung als Spesen einzureichen, oder?
»Kennst du dich zufälligerweise mit der Bibel aus?« fragte ich Mona daher.
»Nicht so besonders.«
»Tja, sieh dir das Zeug trotzdem mal an.«
Mona nahm jede einzelne Karte in die Hand, warf einen Blick auf beide Seiten und las die Textstellen der Heiligen Schrift:
Da ist keiner, der gerecht sei, auch nicht einer.
Römer, 3:10
Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?
Jeremia, 17:9
Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden.
Jeremia, 31:29
Wer einen Toren zeugt, muß sich grämen, und eines Toren Vater hat keine Freude.
Sprüche, 17:21
Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater ums Brot, der ihm einen Stein dafür biete?
Lukas, 11:11
»Soweit es die Verse betrifft«, sagte Mona, »kann ich dir nur soviel sagen, daß sie sowohl aus dem Alten als auch dem Neuen Testament stammen.«
Sie ließ einen Finger über eines der hingeschmierten »STIRB, FATHER LOVE« am Ende eines Verses gleiten. »Das hier ist es, was
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