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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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in einem Prozess zunehmender Re-Islamisierung begriffen. „Wenn es zur Aufnahme der Türkei kommt, kann das der Anfang vom Ende der Europäischen Union werden.“
    Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht für die Türkei nur eine „privilegierte Partnerschaft“ mit der EU vor. Doch Klartextreden wie Helmut Schmidt darf in Deutschland nur – Helmut Schmidt.
    Helmut Schmidts Sorge um die Europäische Union nimmt von Jahr zu Jahr zu. 2010 attestiert er ihr eine schwere Führungskrise: „Es ist im Augenblick keine Führungsperson da. Das ist eine schlimmere Situation, als wir sie jemals in 60 Jahren der europäischen Integration erlebt haben.“
    Mit Kommentaren zur Tagespolitik hat sich Helmut Schmidt lange Zeit zurückgehalten – besonders zu der Zeit, als die sozialdemokratische Partei den Kanzler stellte. In seinen Interviews und Artikeln konzentrierte er sich auf Fragen der Außenpolitik und weltweiten Wirtschaftspolitik. Seine Zurückhaltung dauerte an, als seine Partei der kleinere Koalitionspartner in einer Bundesregierung war. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Große Koalition mehr führt, sondern ein „kleines“ Bündnis mit der FDP, erfährt sie keine Schonung vom Weisen aus Hamburg mehr. Helmut Schmidt bescheinigt ihrer Regierung in einem „Cicero“-Interview von 2010 einen „Hang zur wilhelminischen Großspurigkeit“ und „törichtes Verhalten“ im Umgang mit Frankreich. Angela Merkels Finanzpolitik findet er schlicht „zum Schieflachen“. Persönlich ist das Verhältnis zwischen Helmut Schmidt und Angela Merkel gleichwohl intakt – die Kanzlerin sucht, so der Altkanzler, etwa in außenpolitischen Fragen, immer wieder seinen Rat.
    Ein anderer „Gesprächsdraht“ scheint dagegen nicht intakt, der zum amtierenden Vize-Kanzler und Bundesaußenminister. In beispielloser Schärfe geht Helmut Schmidt den Bundesaußenminister der unionsliberalen Bundesregierung, Guido Westerwelle, an. „Dass Leute, die bis gestern nur die eigene Provinz kannten, morgen Außenminister eines großen Landes sind, ist eine absolute Fehlentwicklung“, lässt er sich in einem Fernsehgespräch von 2010 vernehmen.
    Kein Zweifel, Guido Westerwelle hat sich mit seinem eitlen, zugleich politisch substanzarmen Auftritt binnen eines Amtsjahres alle Sympathien verscherzt. Doch Helmut Schmidts Kritik an ihm ist zugleich ein Beispiel dafür, dass auch der Altbundeskanzlermit seinem Klartext gelegentlich alte Rechnungen begleicht. Auch er urteilt nicht frei von Emotionen, kann im Ton herablassend und in der Sache ungerecht sein. Helmut Schmidt hat die FDP, die von Guido Westerwelle geführt wird, „gefressen“, seit sie sich in der sozialliberalen Koalition unter einem Bundeskanzler Helmut Schmidt der Union zugewandt hat. Helmut Schmidt bewahrt sich in dieser Hinsicht – und hier gleicht er Helmut Kohl – das Gedächtnis eines Elefanten. Einmal Verrat, immer Verrat!
    Für Helmut Schmidt war die FDP schon immer Klientelpartei mit dem wichtigsten politischen Ziel, an einer Regierung beteiligt zu sein. Er hat aus der Nähe erlebt, wie die FDP eine letzte Adenauerregierung verhindern wollte und dann „umgefallen“ ist. Schmidts Misstrauen schwand auch nicht, als er selbst, von 1974 an, eine Koalitionsregierung mit den Liberalen führte.
    Hans-Dietrich Genscher hat seinerzeit die sozialliberale Koalition mit ihm fortgesetzt und von 1981 an die „Wende“ zur Union hin eingeleitet. Noch 1980 hatte Genscher auf seinen Wahlplakaten mit dem Namen Schmidt geworben. Helmut Schmidt verzieh ihm diesen Verrat, wie er es empfand, nie. Über Jahrzehnte ignorierte er den Bundesaußenminister, der nach 1982 noch lange im Amt war. Erst jetzt, im hohen Alter, nimmt Schmidt Genschers Namen wieder in den Mund, und das dann sogar lobend. Gleichwohl ist die FDP nach seiner Überzeugung immer weiter degeneriert, jene Partei, die früher echte Liberale wie Theodor Heuss und Hildegard Hamm-Brücher hervorgebracht habe.
    Helmut Schmidt spottet bei anderer Gelegenheit ebenso fein wie nachhaltig über ein weiteres FDP-Mitglied der Regierung Merkel/Westerwelle, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, dieser bleibe wohl eine Fußnote in der Zeitgeschichte.
    Dagegen nimmt Helmut Schmidt andere Politiker, die öffentlich attackiert werden, in Schutz, wenn er in ihren Aussagen eine politische Substanz erkennt. Sein Parteifreund Thilo Sarrazin hat im Herbst 2010 das Drohszenario aufgebaut, Deutschland könne binnen weniger Generationen muslimisch
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