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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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rechnet er schon in einem „Zeit“-Beitrag von 2005 vor, die Mehrheit aller lebenden Deutschen älter als 60 Jahre sein, „aber schon heute können hier die gesetzlichen Renten nur zu gut drei Fünfteln aus den Versicherungsbeiträgen finanziert werden – zwei Fünftel kommen aus der Steuerkasse“. Helmut Schmidt verlangt Reformen des Arbeitsmarktes und des Wohlfahrtsstaates, damit die Schere zwischen steigendem Geldbedarf (immer mehr Menschen empfangen immer länger eine Rente) und sinkenden Versicherungsbeiträgen (immer weniger Menschen zahlen immer kürzer in die Rentenkasse ein) nicht weiter auseinandergeht.Nach seinem Eindruck erkennen die meisten Politiker der Gegenwart diese Zusammenhänge nicht. Indem sie rechtzeitige Maßnahmen versäumen, gefährden sie den Sozialstaat. Fazit? Der Sozialstaat könne nicht ständig weiter so wachsen, „wie wir uns das bisher eingebildet haben“.
    Mit seiner Mahnung steht Helmut Schmidt nicht alleine da, Autoren wie Kurt Biedenkopf und Meinhard Miegel blasen in dasselbe Horn. Die Berliner Republik weiß um das Thema und um einen Handlungsbedarf, aber wird sie auch rechtzeitig handeln? Die sogenannten Babyboomer, die Generation der zwischen 1959 und 1964 Geborenen, zahlenmäßig stärker als jede Generation vor und nach ihr, muss in wenigen Jahren „verrentet“ und in ihren „Lebensabend“ überführt werden. Die Kosten dafür werden horrend sein. Publizisten von morgen werden sich an Helmut Schmidts Mahnung von heute erinnern.
    Eine andere Reform dagegen, die Gesundheitsreform, nennt Helmut Schmidt in einem „Zeit“-Gespräch von 2006 „zweitrangig“. Helmut Schmidt sagt hier Bemerkenswertes vor dem Hintergrund, dass die Reform des Gesundheitswesens fast täglich Top-Thema der Medien ist. Die wichtigste Aufgabe sieht er darin, mit der Massenarbeitslosigkeit fertig zu werden, insbesondere in den neuen Bundesländern. „Dann geht es darum, den Sozialstaat insgesamt auf gesunde Füße zu stellen, damit er erhalten bleibt.“
    Zu Klartext war Helmut Schmidt auch in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ im Jahr 2006 aufgelegt: Das Jammern über eine Armut in Deutschland müsse endlich aufhören. Das, was man heute als Prekariat bezeichne, habe es immer gegeben. Ein 18-jähriges Mädchen, so Helmut Schmidt sinngemäß, das ein Kind zur Welt gebracht hat und von der Sozialfürsorge, derzeit Hartz IV oder Arbeitslosengeld II genannt, lebt, das eine Wohnung bekommt, die Miete nicht selbst zahlen muss, sogar einen Fernseher erhält – dieses Mädchen gilt als arm und abgehängt, „doch in Wirklichkeit geht es ihr unendlich viel besser, als es uns in ihrem Alter gegangen ist“. Wer heute von Hartz IV lebe, „hat meist einen höheren Lebensstandard als in meiner Jugend ein Facharbeiter mit Frau und Kindern“.
    Weiter hält er es für einen „Fehler“, dass ein deutscher Arbeitnehmer, wenn er studiert hat, statistisch erst mit 28 in den Beruf geht. Ähnlich fällt sein Urteil über die frühe Verrentung aus: „Mit 63 Jahren in Rente gehen: Dieser Unfug muss aufhören.“
    Bei Gelegenheit stellt Helmut Schmidt eine andere Konstante der politischen Debatte, die Laufzeit deutscher Atomkraftwerke, in einen internationalen Zusammenhang. Er tut es, lange bevor die deutsche Politik das Thema im Jahr 2010 traktiert. Beinahe alle Staaten der Welt arbeiten daran, so Schmidt, ihre wirtschaftliche Zukunft mithilfe von atomarer Energie zu sichern, Deutschland sei die herausragende Ausnahme. „Ob die Deutschen da besonders klug sind, kann man sich mit erheblichem Recht fragen.“ Wenn sich Helmut Schmidt öffentlich etwas fragt, ist das seine mildeste, aber nicht weniger deutliche Form des Widerspruchs.
    Helmut Schmidt sieht auch bei diesem Thema eine typisch deutsche Angst am Werk, in diesem Fall die Angst vor der modernen Technik, die Entscheidungen mit dem Verstand zu treffen erschwert oder unmöglich macht. Das Unglück von Tschernobyl, so Helmut Schmidt, hat den Deutschen mehr Angst eingejagt als den Menschen in anderen Teilen der Welt. Sie hätten auf diese Katastrophe überreagiert und versäumten es jetzt, den Lebensstandard von morgen zu sichern.
    Als Deutschland Gastgeber eines G8-Gipfels war, 2007 in Heiligendamm, protestierten viele, überwiegend junge Leute an dem Sperrzaun, der zum Schutz des Konferenzorts errichtet worden war. Helmut Schmidt fällt darüber ein Klartext-Urteil: Nur in Ausnahmefällen sei jemand unter 40 Jahren in der Lage, ein vernünftiges
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