Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
werden. Sarrazins Interviews rund um sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ gleicheneinem Ritt über den Bodensee. Sind seine Thesen noch politisch korrekt oder bereits parteischädigend?
„Das Grundgesetz erlaubt gute, aber auch falsche Politik“, gibt Helmut Schmidt zu bedenken, „die im Artikel 5 garantierte Meinungsfreiheit gilt nicht nur für richtige, sondern ebenso für falsche Meinungen.“ Laut Helmut Schmidt liegt Thilo Sarrazin mit seinen Thesen nicht ganz falsch, doch „ich hätte ihm, wenn er mich gefragt hätte, zur Mäßigung geraten“. Dass einige Genossinnen und Genossen an einen Parteiausschluss von Thilo Sarrazin denken, hält Schmidt für einen Fehler. Die SPD habe zu seiner politisch aktiven Zeit alle möglichen abweichenden Mitglieder ertragen. Sie solle es auch heute tun.
Und dann bekennt Helmut Schmidt, dass er schon in den frühen 1970er Jahren eine Reduzierung der Einwanderung „aus allzu fremden Kulturen als notwendig erkannt und später gefördert“ habe.
Um Political Correctness geht es auch bei einer anderen so heiklen wie zentralen Frage der deutschen Politik: „Wie hält es die Bundesrepublik Deutschland mit Israel?“ Helmut Schmidt rührt an Tabus, wenn er im Gesprächsbuch mit dem Historiker Fritz Stern daran erinnert, dass es auf der Welt maximal fünfzehn Millionen Juden gebe, von denen etwa fünf Millionen in Israel lebten. Israel sei ein kleiner Staat, „der durch seine Siedlungspolitik auf der Westbank und länger schon im Gazastreifen eine friedliche Lösung praktisch unmöglich macht“. Die Israelis hätten sich so verrannt, dass der Nahost-Konflikt, wie Schmidt fürchtet, zu den möglicherweise unlösbaren Problemen der Welt gehöre.
Kein Wunder, dass Helmut Schmidt die „offizielle Linie“ der deutschen Regierungspolitik für zu unkritisch gegenüber Israel hält. Das Diktum von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Deutschland trage Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel, nennt er eine „schwere Übertreibung“.
Helmut Schmidt schert sich um keine Political Correctness, ganz gleich bei welchem Thema. Das macht die Angriffslust von Mister Klartext aus. Seine Angriffslust und eindeutige Stellungnahme machen ihn zugleich so beliebt.
Raucher und Rebell – Politik wider den Zeitgeist
Als öffentlicher Raucher in einer Zeit, die das Rauchen zum Stigma erklärt hat, handelt Helmut Schmidt wie ein Rebell. Der Rebell ist die abgeschwächte Form des Revolutionärs. Er will die Verhältnisse nicht umstürzen, sich aber auch nicht damit abfinden. Sein Aufbegehren gegen den Zeitgeist ist Ausdruck des „eigenen Kopfes“. Der Rebell Helmut Schmidt gibt Widerworte wie schon der Junge mit der frechen Klappe. Er hisst eine eigene Flagge, sendet seine eigenen Rauchzeichen. Er ist auf Freiheit und Unabhängigkeit aus. Helmut Schmidt würde es selbst so ausdrücken: Ihr könnt mich mal!
Genau besehen ist Helmut Schmidt nicht nur immer schon Raucher, sondern auch immer schon Rebell, denn auch als Politiker hat er oft nach „eigenem Kopf “ gehandelt. Der jeweilige Zeitgeist war ihm nicht egal, doch die eigene Überzeugung, was zu tun sei, achtete er höher. Das „Prinzip Klartext“ galt nicht nur in seinem Reden, sondern – häufig – auch in seinem Tun.
Natürlich, auch ein Helmut Schmidt hat nicht autonom gehandelt, musste Rücksichten nehmen und verbog dabei seine Grundsätze. Und doch gewinnt man in der Rückschau den Eindruck, dass sich Helmut Schmidt viel persönliche Freiheit in den Ämtern bewahrt hat. Dies zeigt sich an kleineren und größeren Initiativen, die von Schmidt ausgegangen sind, mit denen er, der Rebell, Impulse setzen und eine Richtung weisen wollte.
1978 – gerade sind in der damaligen Bundesrepublik die Schwarz-Weiß- gegen Farbfernseher ausgetauscht worden – hält Helmut Schmidt ein Plädoyer für den fernsehfreien Tag. Einmal in der Woche soll der Fernseher ausgeschaltet bleiben! „Jeder Einzelne, jede Familie sollte sich bewusst die Chance geben zu erproben, zu erfahren, zu lernen, was alles man an einem Tag ohne Fernsehen machen könnte – notfalls zu erfahren, dass man nicht mehr miteinander reden kann“, so der Bundeskanzler in einem„Zeit“-Beitrag. Mit der kleinen „Spitze“ im letzten Halbsatz outet sich wieder einmal der Klartext-Redner.
Er habe, bekennt Helmut Schmidt, „über die Distanz nachgedacht, mit der sich heute Einzelne und Gruppen in der Bundesrepublik gegenüberstehen“. In den Familien, ja
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