Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Handwerksbetrieb, nämlich allzu menschlich?
Von der Schlüsselszene des politischen Rebellen Helmut Schmidt, seiner Rede auf dem SPD-Parteitag 1983 in Köln, wurde bereits berichtet. Mit der späten, aussichtslosen, vor demütigender Kulisse gehaltenen Apologie des NATO-Doppelbeschlusses blieb sich Helmut Schmidt treu. Seiner Politik wurde erst Jahrzehnte später die Anerkennung der Genossinnen und Genossen zuteil.
Helmut Schmidt, der Politiker, der populär war und Wahlen gewann, weil er nicht mit dem Zeitgeist, sondern gegen ihn regierte – dieses Bild ist nicht neu, der Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg hat früh darauf aufmerksam gemacht. Die Renitenz des damaligen Politikers Helmut Schmidt gegen den Zeitgeist macht seine Popularität von heute aus.
Helmut Schmidt ist der letzte Raucher. Helmut Schmidt ist der letzte Rebell.
Kein Mann fürs Geschichtsbuch – Schmidts Kanzlerzeit in der Kritik
Am Tag, als Bundeskanzler Helmut Schmidt im Parlament abgewählt wurde, dem 1. Oktober 1982, war er der beliebteste deutsche Politiker. Das lag nicht am Mitleidseffekt, den der charismatische Verlierer auf sich zog, vielmehr hatte er seit seinem Amtsantritt 1974 alle anderen langsam, aber stetig überflügelt.
Mit der hohen persönlichen Wertschätzung, die Helmut Schmidt in diesen Herbsttagen 1982 erfuhr, ging das allgemeine Bewusstsein einher, dass dieser Mann politisch gescheitert war: gescheitert am Koalitionspartner, an der eigenen Partei oder an sich selbst. Oder an der Kombination dieser drei Faktoren. Der Todeskampf der sozialliberalen Koalition hatte sich ein Jahr lang hingezogen und spätestens seit dem Sommer Akteure und Bürger gleichermaßen genervt. Zwar trugen SPD-Abgeordnete und -Mitglieder in den Tagen nach dem Koalitionsbruch eine Plakette mit der Aufschrift „Verrat!“, aber der emotionsgeladene Ausruf gab nicht den vorangegangenen komplexen Verlauf der Dinge wider, sondern bedeutete bereits Wahlkampf. Die SPD hatte zum Ende der Regierung Schmidt mindestens ebenso viel beigetragen wie der „gewendete“ Partner FDP. Von Helmut Schmidt dachten die Deutschen, und nicht nur die SPD-Wähler unter ihnen: ein guter Mann, aber ohne Truppen.
Der „Spiegel“ illustrierte dieses kollektive Empfinden in Anlehnung an eine berühmte Karikatur Otto von Bismarcks nach der Abberufung des Reichskanzlers durch Kaiser Wilhelm II. Mit Helmut Schmidt, so das Titelbild des „Spiegel“ in jenen Tagen, ging ebenfalls ein Lotse von Bord – der Mann, der Deutschland durch die vergangenen aufgewühlten, bislang schwierigsten Jahre der Republik manövriert hatte. Der „Spiegel“ hatte für das Cover ein Bild von Helmut Schmidt gewählt, auf dem er aufrecht und enttäuscht zugleich wirkt – und so mag er auch tatsächlich empfunden haben.
Ein guter Mann, aber, als es zur Entscheidung kommt, ohne Truppen. Ein guter Mann, aber in der falschen Partei. Ein guter Mann, aber am Schluss ohne Fortune. Kaum einem deutschen Führungspolitiker wurden so viele Etiketten aufgeklebt wie Helmut Schmidt. Es war für die meisten Westdeutschen – und auch für viele Bürgerinnen und Bürger in der damaligen DDR – nicht leicht zu verstehen, dass ein Politiker vom Format Helmut Schmidts plötzlich aufs Altenteil musste.
Der Politikwissenschaftler Rudolf Wildenmann brachte prägnant wie wenige das tragische Element von Schmidts Abgang auf den Punkt: Einerseits saß er bis kurz vor seiner Abwahl noch fest im Sattel: Auch wenn die SPD bei der Bundestagswahl 1980 ein mäßiges Ergebnis erzielte, bestand kein Zweifel daran, dass die sozialliberale Koalition unter Führung von Helmut Schmidt „gewonnen“ und die jeweiligen Kandidaten der Union, Helmut Kohl 1976, Franz Josef Strauß 1980, „verloren“ hatten und dass das vor allem ein persönlicher Erfolg von Helmut Schmidt gewesen war.
Andererseits konstatiert Rudolf Wildenmann, es sei eigentlich verwunderlich, „dass Helmut Schmidt diesen Balanceakt so lange überdauert hat“. Helmut Schmidts Koalition von 1974 habe – Rudolf Wildenmann zitiert hier einen Insider – „aus der FDP, einer heterogenen SPD-Fraktion, mittelbar den Gewerkschaften, Willy Brandt als Partei-Vorsitzendem und Herbert Wehner“ bestanden.
Dieses labile Gleichgewicht, so Wildenmann, sei im Lauf der Monate und Jahre zerbrochen. Hinzu kam, dass „die Positionselite der Bundesrepublik“ von 1981 bereits eine neue Koalition zwischen Union und FDP anvisierte. Helmut Schmidt habe die Aufgabe
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