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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herder
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unterschätzt, als Kanzler seine Partei mehrheitlich zu überzeugen.
    Rudolf Wildenmann vergleicht Helmut Schmidt mit einem anderen charismatischen Verlierer unter den Bundeskanzlern, Ludwig Erhard. Das Gesicht des deutschen Wirtschaftswunders war so beliebt, dass er als „Volkskanzler“ galt. Trotzdem hielt die von ihm geführte Bundesregierung nur wenige Jahre.
    Nach seiner Abwahl war Helmut Schmidt, wie Rudolf Wildenmann zutreffend feststellt, in der eigenen Partei isoliert. Kaumeiner wollte sich jetzt noch auf ihn berufen. „Das Schicksal unserer aus dem Amt geschiedenen Politiker ist satirefähig.“ Rudolf Wildenmann versäumt es nicht, zu notieren, was viele seinerzeit dachten: Helmut Schmidt schien nach dem 1. Oktober 1982 politisch „weg vom Fenster“.
    Die meisten Nachrufe auf Schmidts Kanzlerschaft drückten gleichfalls diese Ambivalenz zwischen den persönlichen Fähigkeiten des Amtsinhabers und seinem Scheitern im Bonner Machtspiel aus. Der Historiker Golo Mann nennt Helmut Schmidt einen Regierungschef, „der ein Beispiel ernster, stetiger Pflichterfüllung gab“ im Sinne von Bismarcks „Patriae in serviendo consumor“, „Im Dienste des Vaterlandes verbrauche ich mich“.
    Neben der persönlichen Wertschätzung für diesen Mann steht die kühle Analyse seiner Bedeutung in der Partei – einer Bedeutung, die zuletzt keine mehr war. „Oh, man bedauerte seine Entscheidung, nicht mehr für das Amt des Bundeskanzlers zu kandidieren; teils, weil es sich so gehört, teils, weil damit die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Macht (…) begraben wurde. Aber ein hörbares ‚Uff !’ mischte sich in das Bedauern.“ Was Golo Mann schrieb, empfanden viele.
    Zeithistoriker begannen, die Lebensleistung von Helmut Schmidt in einen weiteren historischen Zusammenhang zu stellen. Hans-Peter Schwarz nennt ihn den „Generaldirektor der Bundesrepublik Deutschland“. Stark war, so Hans-Peter Schwarz sinngemäß, seine reiche Erfahrung in verschiedensten Ämtern, seine Versiertheit in Sicherheitsfragen und in der Außenpolitik, sein politisches Talent und seine erstklassige Redekunst. „Schmidt war überhaupt der talentierteste Staatsschauspieler aller Bundeskanzler vor ihm und nach ihm.“ Doch er habe es von Beginn seiner Kanzlerschaft an zum Verdruss vieler Genossen verstanden, sich brüsk und ganz ohne Verheimlichung seiner Arroganz in Szene zu setzen.
    Hans-Peter Schwarz diagnostiziert an anderer Stelle, Helmut Schmidt habe den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker nicht richtig durchschaut und sich auch von der Stabilität seines Regimes eine viel zu hohe Meinung gebildet. „Im Nachhineinlässt sich leicht erkennen, dass Schmidt den spättotalitären Tyrannen etwas zu viel Ehre erwies, auch Breschnew.“ Gleichwohl sei Schmidt „ein sehr eindrucksvoller Praktiker wachsamer Gleichgewichtspolitik“ geblieben.
    Hans-Peter Schwarz bilanziert Fehlentscheidungen und Erfolge gleichermaßen – die schon erwähnte „rosarote Brille“ gegenüber den Staaten des Ostblocks, eine überzogene Konfrontation mit dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter.
    Der Historiker hält in der Rückschau den NATO-Doppelbeschluss, den Helmut Schmidt maßgeblich herbeigeführt hat, für einen „ziemlichen Kunstfehler“: Wer 1979 eine Stationierung von Mittelstreckenwaffen für 1983 ankündigt, lädt den Ostblock geradezu ein, vier Jahre lang Einfluss auf die deutsche „Friedensbewegung“ gegen die NATO zu nehmen! Schmidts Konzept mochte nach den Maßgaben von Waffentechnik und militärischer Taktik richtig gewesen sein, doch es habe die Faktoren Psychologie und Propaganda weitgehend ignoriert.
    Für historisch bedeutender und weitreichender hält Hans-Peter Schwarz das vom französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt initiierte Europäische Währungssystem (EWS). Ohne dieses Währungssystem wäre die Einführung der gemeinsamen Währung von heute, des Euro, nicht möglich gewesen.
    Außenpolitisch bekommt ein Projekt wie das EWS Bestnoten, in der Innenpolitik hinterließ Bundeskanzler Helmut Schmidt, so Hans-Peter Schwarz wörtlich, ein „problematisches Erbe“: Dieser Kanzler habe das bürgerliche Lager in Deutschland an den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat mit hoher Verschuldung, mit ausgeprägter Gewerkschaftsmacht und mit der Tabuisierung sozialer Konsensus-Politik gewöhnt. Den Wahltermin 1980 vor Augen, ließ er eine unverantwortliche Aufblähung des Sozialstaates zu (das wird

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