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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herder
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beiden Teile Deutschlands zu vereinigen. Und Helmut Schmidt? Er hielt das Land in einer wirtschaftspolitisch schwierigen Zeit auf Kurs. Erwiderstand, als Terroristen den demokratischen Rechtsstaat bedrohten, dieser Bedrohung. Beides waren zweifellos bleibende Verdienste, aber es handelte sich um Verdienste in der Abwehr von Gefahren, in der Verhütung von Schlimmerem, nicht um selbst erdachte und selbst durchgesetzte Entwürfe von Politik.
    Peter Glotz analysiert auch Stärken und Schwächen der politischen Persönlichkeit von Helmut Schmidt: Seine großen Fähigkeiten seien durch „erstaunliche, fast naiv anmutende Schwächen verdunkelt“ gewesen. „Er blieb ein Großprojekt-Kanzler, ein Kernenergie-Freak“ und er ignorierte die Bedeutung des Umweltschutzes und die neuen Sorgen über langfristige Risiken. „So wurde er – wider Willen – zum Mitbegründer der grünen Partei.“
    Wie erklärt sich Peter Glotz den – wie er meint – blinden Fleck bei einem sonst so scharfsichtigen Politiker? Er deutet das Phänomen psychologisch. Helmut Schmidt habe sich – in Anlehnung an einen Satz von Alexis de Tocqueville – ein Leben lang durch Arbeiten in Bewegung gehalten. Dabei kamen persönliche Beziehungen und Gespräche mit Bürgern und Bürgerinnen, mit den Menschen des Landes, und folglich der Bezug zu den ja nicht immer rein rational begründeten und zu steuernden „Angelegenheiten der Welt“ zu kurz. So verpasste er den Anschluss an diese neue Zeit, begriff die Motive derer, die gegen Atomkraftwerke und Mittelstreckenwaffen protestierten, schlichtweg nicht.
    Diese psychologische Deutung ist nicht nur eine Kritik am Politiker Helmut Schmidt, sondern auch an der Generation, für die er steht, der Kriegsgeneration. Die Jungen werfen jetzt den Alten vor, ihre persönlichen Konflikte verdrängt oder – im Fall des politischen Talents Helmut Schmidt – zu praktischer Politik gemacht zu haben. Der langjährige „Spiegel“-Redakteur Jürgen Leinemann schreibt über das explosive Verhältnis zwischen der 68er-Generation und Helmut Schmidt, beide Seiten hätten diesen „kalten Prinzipienkampf “ genutzt, um „schmerzhafte Auseinandersetzungen mit persönlicher Schuld oder Versagen in der eigenen Familie zu vermeiden“. Die Generation von Helmut Schmidt war jung in den Krieg gekommen und erlebte diese totale Niederlage – militärisch, politisch, moralisch – im ersten, prägenden Lebensdrittel.Die Politiker dieser Generation wollten jetzt – so wieder Leinemann – „die Feldzüge des Alltags gewinnen“; sie taten es emotional erstarrt und arbeitswütig. Bei den Wählerinnen und Wählern derselben Generation kam das gut an, sie war ja genauso gestrickt, und auch die folgende Generation, die in den dreißiger Jahren Geborenen, kannte nichts anderes, war zwar fortschrittlicher, aber noch nach diesem Muster erzogen worden. Erst die 68er-Bewegung begehrte gegen das Lebenskonzept auf.
    Die ,Angehörigen‘ von Schmidts sogenannter Kriegsgeneration waren unsentimental, hart, berechenbar. Helmut Schmidt formulierte die positiven Aspekte dieser Eigenschaften – vernunftgelenktes Handeln, Stetigkeit und Verlässlichkeit – als wichtige Tugenden eines Politikers. Wer diese Tugenden nicht verkörpere, sei in der Politik fehl am Platz. Helmut Schmidt – und mit ihm seine Generation – wurde Anfang der achtziger Jahre mit Politikerinnen und Politikern neuer Prägung konfrontiert. Nichts hat Helmut Schmidt in seinem politischen Leben mehr gekränkt als die Verunglimpfung von „Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit“ als „Sekundärtugenden“ durch seinen Parteifreund Oskar Lafontaine. Mit Sekundärtugenden, hatte Lafontaine einen „Stern“-Redakteur wissen lassen, könne man „ein KZ betreiben“. Und er hat diese Provokation gegenüber Helmut Schmidt, der ihm empört schrieb, nicht zurückgenommen.
    Jürgen Leinemann schildert nicht nur, wie sich Helmut Schmidt selbst sah, sondern auch, wie er den scheinbar unsentimentalen Schmidt wahrnahm. „Entgegen dem Bild vom eisernen Kanzler war er ein komplizierter und persönlich leicht verwundbarer Mann. Es könnte sehr wohl sein, dass dieser scheinbar so selbstsichere Mann ein Leben lang fürchtete, unter ihm könne der Boden zu schwanken beginnen.“
    Kein Zweifel, die Bilanz der politischen Lebensarbeit von Helmut Schmidt fällt insgesamt gemischt aus. Bei den Deutschen bleibt Helmut Schmidt zwar immer beliebter als sein Nachfolger im

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