Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
begegnet uns hier als Mensch, der sich mit ganz alltäglichen Ärgernissen herumschlagen muss. Und natürlich – am Ende des Spots kommt dann die Werbebotschaft – als kluger „Zeit“-Leser.
Der witzige Sketch kommt in die deutsche Kinowerbung und erlangt Kultstatus. Er macht eine neue Generation von Deutschen mit dem Grantler aus Hamburg bekannt. Viele Jahre später wird es die Internet-Plattform YouTube geben, die das Loriotstück online stellt und somit wieder zugänglich macht. Als das Gesamtwerk von Loriot auf DVD erscheint, ist der Werbespot mit Helmut Schmidt zur Freude der Rezensenten dabei.
Unversehens katapultiert die Weltgeschichte Helmut Schmidts Stimme in das öffentliche Bewusstsein zurück. Der „Eiserne Vorhang“ fällt, Bundeskanzler Helmut Kohl ergreift die Chance zur Vereinigung von Deutschland Ost und Deutschland West. Jenseits des Freudentaumels gibt es zahllose politische Fragen zu klären und Probleme zu lösen. Mit seinem Buch „Handeln für Deutschland“, geschrieben unter dem Eindruck der beglückenden Ereignisse vom Herbst 1989 an, legt Helmut Schmidt eine hellsichtige Analyse der politischen und wirtschaftlichen Situation vor und gibt eine detaillierte Empfehlung, was zu tun sei. Das Buch ist zupackender geschrieben als die vorherigen Schmidttitel, die hastig diktierten, in Stil und Inhalt langatmigen Erinnerungen („Menschen und Mächte“, „Die Deutschen und ihre Nachbarn“) an die Kanzlerzeit. Helmut Schmidt schreibt wieder einmal Klartext wie kein anderer. Er blüht auf, weil er – wie auch sein jahrzehntelanger Antipode Willy Brandt – neu beflügelt ist von der zu leistenden Aufgabe.
Anfang der neunziger Jahre wünschen sich viele Bürgerinnen und Bürger Helmut Schmidt in die aktive Politik zurück. Der Protagonist fühlt sich geschmeichelt und winkt aus gesundheitlichen Gründen ab. Eine Rolle mag auch spielen, dass er in einer politischen Gefechtslage, aus der er schon „heraus“ ist, nicht noch einmal scheitern möchte.
Mitte bis Ende der neunziger Jahre beginnt sich die Bewertung von Helmut Schmidts Kanzlerschaft zu wandeln – je längernachfolgende SPD-Politiker glücklos und uninspiriert agieren. Seine Partei erlebt mit den Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine, Johannes Rau und Rudolf Scharping jeweils ein Desaster. Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, der dank seiner rhetorischen Brillanz das Zeug zum „Volkskanzler“ hat, schätzt 1990 die Stimmungslage der Deutschen, die eine Vereinigung um jeden Preis wollen, völlig falsch ein. Johannes Rau kommt als Persönlichkeit gut an, doch seine Partei kann nicht genug Wähler mobilisieren. Rudolf Scharping steht für vernünftige, wählbare Inhalte, blitzt aber als blasse Persönlichkeit ab. Im Kontrast zu diesen Vertretern seiner Partei rückt Altkanzler Helmut Schmidt plötzlich wieder in den Blickpunkt, denn er führte die SPD an in einer Zeit, in der sie noch politisch wichtig und wirkmächtig war im Land. Er ist nach dem Tod von Herbert Wehner (1990) und Willy Brandt (1992) das letzte Mitglied der legendären SPD-Troika, die einst die Regierungsverantwortung herbeigeführt und immerhin über 13 Jahre bewahrt hat.
An den historischen Fakten von Schmidts Kanzlerschaft kann sich nichts mehr ändern, doch erfährt diese Ära eine Neubewertung. Der Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg würdigt Helmut Schmidt im zweiten Band seiner Erinnerungen – davon war schon kurz die Rede – als Politiker gegen den Zeitgeist. Ihm hat imponiert, wie fest Helmut Schmidt nach Willy Brandts Rücktritt die Zügel in die Hand genommen hat. Selbstverständlich könne man sich fragen, so Theodor Eschenburg, ob Krisenmanagement schon ausreiche, jemanden zu einem großen Kanzler zu machen. Er selbst gibt die Antwort: „Aber man kann Regierungschefs (…) nicht nur an ihren Erfolgen messen. Man muss sich auch fragen, ob ihr Erfolg nicht darin bestanden hat, Schlimmeres zu verhindern.“ Laut Eschenburg müssen in ein Urteil über einen Politiker auch dessen handwerkliche Fähigkeiten einfließen. „Gemessen an diesen Kriterien hat Schmidt eine eindrucksvolle Figur abgegeben.“
Die Geradlinigkeit von Helmut Schmidts politischer Persönlichkeit, so Eschenburgs Analyse, war in ihrer Wirkung zweischneidig. Einerseits packte er Probleme beherzt an und führtesie einer Lösung zu. Er hatte klare Ziele und verfolgte sie auch geradlinig. Andererseits war es Helmut Schmidt nicht möglich, persönliche Abneigungen zu verdrängen. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher