Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
er jemanden für inkompetent hielt, zeigte er es, selbst wenn der vermeintlich Inkompetente Jimmy Carter hieß und US-Präsident war. Theodor Eschenburg konstatiert kopfschüttelnd, dass dieser Wesenszug von Helmut Schmidt die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten in einer untragbaren Weise belastete.
Trotz mancher Kritik, die Theodor Eschenburg äußert, fällt das Urteil über Helmut Schmidts Politikverständnis, Schritt für Schritt vorzugehen und dabei Schlimmes zu verhindern, positiv aus.
Anfang des neuen Jahrtausends setzt im wiedervereinigten Deutschland ein Nachdenken darüber ein, weshalb das Land ökonomisch nicht mehr so gut dasteht wie in den siebziger und achtziger Jahren. Zwangsläufig fällt der Blick auf die Kanzlerzeit von Helmut Schmidt.
Als studierter Ökonom richtete auch der Bundeskanzler Helmut Schmidt seinen Fokus auf Wirtschaft und Finanzen. Auf diesem Feld war er zuhause, und hier sah er im neuen Amt den größten Handlungsbedarf. Mit der ersten Kabinettssitzung wurden die Minister für Wirtschaft und Finanzen, Hans Friderichs und Hans Apel, umgesetzt – sie bekamen Plätze, auf denen Sitzungsleiter Helmut Schmidt sie im Auge hatte und Blickkontakt mit ihnen halten konnte.
Das Erbe, das der neue Bundeskanzler Helmut Schmidt antrat, war schwer. Sein Amtsvorgänger Willy Brandt hatte 1969 die Losung „Mehr Demokratie wagen“ ausgegeben. Doch wie Kurt Biedenkopf in einer Rückschau schrieb, bedeutete das „in Wirklichkeit (…) nicht mehr Demokratie, sondern mehr demokratischen Staat. Mit der Formel war die Expansivität des Staates auch verfassungspolitisch legitimiert.“ Willy Brandts Regierung steht für eine erhebliche Ausdehnung der staatlichen Aktivitäten, vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen, im Umweltschutz und im Bereich der sozialen Sicherung. Auf diesen Feldern gab es, so die Überzeugung von Willy Brandt und seiner Mannschaft, einen erheblichen Nachholbedarf.
Willy Brandts Konzept wäre bei einem anhaltenden Wirtschaftswachstum aufgegangen, doch mit der Ölkrise vom Herbst 1973 war die Welt aus den Fugen geraten. Willy Brandt hätte politisch umsteuern müssen, doch die Hoffnungen und Erwartungen, die seine Regierung geweckt hatte, ließen sich jetzt nicht mehr „einfangen“. Sein Nachfolger im Amt, Helmut Schmidt, war von einer solchen Bürde frei. Er nahm sich die Konsolidierung der Finanzen vor – mit wenig Erfolg.
Früher als andere hat Peter Glotz 1993 darauf hingewiesen, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt zwar schnell und perfekt die Strukturen des internationalen Finanzsystems begriffen habe, „doch erreichte er gegenüber den kapitalistischen Magnaten nie die Unabhängigkeit, die er (als Verteidigungsminister, Anm. M. R.) gegenüber den Generälen vom ersten Tag an hatte“. Am Ende seiner Kanzlerschaft war er – so Peter Glotz – auch in ökonomischer Hinsicht noch immer ein Matrose, der mit wehender Fahne im Skagerrak unterging. Helmut Schmidt musste erleben, was er mit aller Kraft hatte verhindern wollen.
Der „Spiegel“-Redakteur Gabor Steingart beschreibt die aufkommende Erkenntnis über das Missmanagement der deutschen Politik in den vergangenen Jahrzehnten in seinem Buch „Deutschland. Der Abstieg eines Superstars“. Es ist eine Art Versäumnisgeschichte der Bundesrepublik. Dem fünften Bundeskanzler Helmut Schmidt bescheinigt Gabor Steingart weit mehr ökonomischen Sachverstand und weit mehr Bemühen, den Sozialstaat nicht ausufern zu lassen, als dem Amtsvorgänger Willy Brandt. Schmidt sei ein „ökonomischer Weitseher“ gewesen, was ihn noch Jahrzehnte später herausstechen lasse, und zugleich „Pragmatiker mit den üblichen politischen Kurzfristreflexen, was die Resultate seines Handelns (…) in die Mittelmäßigkeit zurückwarf “.
Auf „dahingeblaffte Belehrungen an die Adresse der Partei“ (von ihnen war schon im Klartext-Kapitel die Rede) folgten „milliardenschwere Streicheleinheiten, die sich Investitions-, Beschäftigungs- oder Infrastrukturprogramme nannten“. Schmidts Politik habe zwischen ökonomischer Erkenntnis und politischemZwang, zwischen Haushaltskonsolidierung und dem Versuch, den Arbeitsmarkt zu stimulieren, geschwankt.
Im Bundestagswahlkampf 1976 sagte Helmut Schmidt eine Rentenerhöhung um zehn Prozent zum 1. Juli 1977 zu – er wollte die Rentnerinnen und Rentner, die tendenziell ihre Stimme der Union geben, für sich gewinnen. Nach der Wahl stellte sich heraus, dass die Berechnungen, auf deren Grundlage
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