Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
beschäftigte das Land über Tage und Wochen. Frank-Walter Steinmeier hat mit seiner Entscheidung an das Ideal einer Ehe erinnert, das es de facto nicht mehr gibt.
Sehnsucht und Ernüchterung – die Bonner und die Berliner Republik
An der Trauerfeier für Loki Schmidt nahm die politische Prominenz der neuen, der Berliner Republik teil – der Bundespräsident und sein Vorgänger im Amt, die Bundeskanzlerin und ihr Vorgänger im Amt sowie einer der vielen SPD-Vorsitzenden der letzten Jahre, Franz Müntefering. Zugleich waren Repräsentanten der „alten“ Bundesrepublik gekommen, der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel, die früheren Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, Henning Voscherau und Hans Apel, zuerst Finanz-, dann Verteidigungsminister in Kabinetten von Helmut Schmidt, sowie Manfred Lahnstein, während der Ära Schmidt Staatsminister im Kanzleramt und später ebenfalls Finanzminister. Unter den „Bonner“ Repräsentanten befinden sich – um mit einem Buchtitel von Marion Gräfin Dönhoff zu reden – „Namen, die keiner mehr nennt“, wenigstens die Jüngeren nicht.
Diese Namen stehen für einen Staat, den es nicht mehr gibt, so wenig wie die DDR; beide sind gemeinsam untergegangen – die alte Bundesrepublik zwar mit weniger Getöse, aber mit derselben Endgültigkeit. Trotzdem ist diese Bundesrepublik mehreren Generationen in Deutschland noch sehr gegenwärtig, so wie es auch die frühere DDR ist. Die Generation, die aktuell die Schaltstellen von Wirtschaft und Gesellschaft besetzt, die deutschen Babyboomer, sind in der alten Bundesrepublik groß geworden und haben eine zunehmend verklärende, nostalgische Erinnerung an sie.
Zu den Repräsentanten dieses Sehnsuchtsortes gehören Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und natürlich Helmut Schmidt. Der Altkanzler, mag er mit seinen „Zeit“-Beiträgen und in Fernsehgesprächen thematisch noch so „up to date“ sein, verbindet uns immer auch mit einer lange vergangenen Zeit. Er trughohe politische Verantwortung in einer Phase der Nachkriegsgeschichte, als die deutschen Verhältnisse noch übersichtlich waren. Die von ihm regierte Republik war geografisch klein und überdies von vielen Tausend Soldaten der westlichen Siegermächte von 1945 besetzt. Das Wort „besetzen“ durfte man weder sagen noch schreiben, als Besatzer galten immer nur die Sowjetkommunisten im „Ostblock“.
Trotz – oder gerade wegen – ihres politischen Zwergentums ging es der Bundesrepublik in fast jeder Hinsicht gut, sie gelangte zu politischer Stabilität und entwickelte eine eindrucksvolle Wirtschaftskraft. Soziale Belange kamen während und nach dem „Wirtschaftswunder“ zwar zu kurz, doch entzündeten sich darüber immer wieder wichtige, die westdeutsche Gesellschaft öffnende Debatten.
Zur Bundestagswahl 1980 – Franz Josef Strauß (CSU) forderte Amtsinhaber Helmut Schmidt heraus – legte der Historiker und Publizist Sebastian Haffner einen „Wasserstandsbericht“ der Bundesrepublik Deutschland mit dem Titel „Überlegungen eines Wechselwählers“ vor. Es ist ein Dokument der alten Bundesrepublik mit ihrer politischen Heimeligkeit und parlamentarischen Übersichtlichkeit, mit ihren prägnanten Protagonisten und den unterschiedlichen Politikentwürfen, für die sie standen.
Sebastian Haffner würdigte die Bundesrepublik Deutschland als die „solideste, gesundeste und stabilste“ unter den großen Demokratien des Westens. Die Bundesrepublik habe nicht mit einem ewigen Bürgerkrieg zu leben, sie werde nicht von ständigen Klassenkämpfen und Streiks heimgesucht und sie lebe nicht in permanenter Regierungskrise. Woher kommt diese Stabilität? „95 Prozent der Bundesbürger wählen seit 20 Jahren dieselben drei Parteien, SPD, FDP und CDU/CSU.“ Das bedeute, „dass rund 95 Prozent der Bundesbürger den demokratischen Staat behalten wollen, den sie haben“.
Sebastian Haffner lobte die drei Parteien dafür, dass sie kompromissfähig und koalitionsfähig seien, „und zwar jede mit jeder“. Vertreter dieser drei Parteien hätten das Grundgesetz gemacht, „sie sind, wie man so sagt, die Väter des Grundgesetzes“.Zur gelingenden demokratischen Kultur dieses Landes gehöre auch, dass die Deutschen fleißig zur Wahl gingen, um eine dieser drei Parteien zu wählen.
Sebastian Haffner hatte lange in England gelebt und machte aus seinem
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