Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Schmidt handelte in dem damals herrschenden Bewusstsein, dass überwiegend die Gattin für die Kindererziehung zuständig ist. Und er hatte als SPD-Fraktionsvorsitzender, Minister in mehreren Ressorts und schließlich Bundeskanzler stets Aufgaben, die „den ganzen Mann“ verlangten. Viel zu arbeiten, ein „Workaholic“ zu sein, war noch positiv besetzt – als Pflichterfüllung und Dienst am öffentlichen Wohl. „In serviendo consumor.“
Den späteren Generationenkonflikt mit dem eigenen Kind hatte Helmut Schmidt mit vielen Führungspolitikern jener Zeit gemeinsam, etwa mit Willy Brandt. Auch er war ein nicht anwesender Vater. Einer der Brandtsöhne musste ein Buch schreiben, um zum Vater zu finden.
Also Absolution für den Vater Helmut Schmidt? Oder muss sich ein Führungspolitiker wie er, der moralische Maßstäbe für öffentliches Handeln formuliert, fragen lassen, wie es um seine private Vaterrolle bestellt war? Dürfen Führungspolitiker und -politikerinnen nicht anwesende Väter und Mütter sein? Muss für sie eine ungeschriebene Regel gelten von der Art, dass die Beschäftigung mit den öffentlichen Dingen höher steht als das Zusammensein mit dem eigenen Kind? Zu der Zeit, als HelmutSchmidt eine heranwachsende Tochter hatte, kam das Kind oder kamen die Kinder eines Spitzenpolitikers offenbar zu kurz.
Bei den Schmidts mochte – darauf wies Loki immer wieder hin – die persönliche Gefährdung ein unbefangenes Familienleben beeinträchtigt und eine selbstbestimmte Entwicklung erschwert haben. Susanne Schmidt machte ihren Weg nicht in Deutschland, wo sie eine ständige Begleitung durch bewaffnete Sicherheitskräfte gebraucht hätte. Susanne Schmidt zog nach England, wo sie nicht als die Tochter von Helmut Schmidt gilt.
Nur einmal hat Tochter Susanne den ganz privaten Generationenkonflikt in der Familie Schmidt öffentlich gemacht – als Helmut Schmidt über seine Kindheit und Jugend unter Hitler schrieb und die Tochter mit diesem Text nichts anfangen konnte. „Warum bist du so lange ein politisch nicht denkender, ein apolitischer Mensch gewesen?“, wollte sie nach der Lektüre wissen. Susanne glaubte der Darstellung ihres Vaters nicht. Helmut Schmidt seinerseits fühlte sich von seiner Tochter unverstanden. Als ihn einmal der „Spiegel“-Redakteur Jürgen Leinemann auf den innerfamiliären Verständnis-Gap anspricht, redet er sich in Wut darüber, dass sein autobiografischer Text nicht „ankommt“.
Es bleibt übrigens die einzige autobiografische Schrift des vieljährigen politischen Autors Helmut Schmidt.
Die Zeit hat auch diese Wunden heilen lassen. „Ich bin stolz auf meine Eltern“, sagte Susanne nach dem Tod ihrer Mutter. Mit ihrer Mutter hat sie sich immer gut verstanden und ist mit ihrem Vater im Reinen. Aber es war für sie nicht immer einfach, die Tochter von Helmut Schmidt zu sein.
Susanne und Loki Schmidt gebührt hoher Respekt dafür, dass sie den Anschein eines musterhaften Ehe- und Familienlebens vermieden haben, anders als die meisten Politiker-Ehen und -Familien dieser und der nächsten Generation. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – galten die Schmidts in den Augen vieler Deutscher als vorbildliches Paar. Besonders als sie gemeinsam älter und alt wurden, rührten sie Millionen von Deutschen an. Loki und Smoky sind gemeinsam „durch dick und dünn“ gegangen.Sie haben sich nicht getrennt. Sie blieben zusammen, „bis dass der Tod Euch scheidet“.
Loki und Helmut Schmidt weckten nostalgische Gefühle für eine Zeit, in der die Ehe noch als Gemeinschaft fürs Leben galt, nicht als Bindung auf Zeit. Die Deutschen denken und handeln überwiegend nicht mehr christlich, doch der christlichen Vorstellung von Ehe hängen sie noch immer an. Von ihr haben sie in ihrer Kindheit und Jugend gehört – und bestenfalls selbst erfahren. Sie finden, die Zeiten mit weniger Scheidungen und mehr Kindern in den Familien waren besser als die Zeiten von heute.
Nostalgische Gefühle sind das eine, tatsächliches Handeln das andere. In Deutschland wird jede zweite Ehe geschieden. Der per Trauschein verbundene Partner oder die Partnerin ist, auch wenn es am Tag der standesamtlichen Trauung überhaupt nicht so scheint, mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit ein Partner oder eine Partnerin auf Zeit.
Die Deutschen würden gern von Politikerinnen und Politikern regiert, die mehr Eheglück als sie selbst haben. Sätze wie „Das ist schon ihr zweiter Mann“ oder „Das ist schon seine
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