Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
wenn eine Affäre solchen Ausmaßes seither nicht mehr vorgekommen ist – den Missbrauch geliehener Amtsgewalt gibt es weiterhin zuhauf.
Eine wachsende Zahl von Beobachtern der Berliner Republik machen sich Sorgen um sie. „Die Fundamente des wiedervereinigten Deutschlands wackeln“, folgerte Alexander Smoltczyk aus den bereits zitierten „Spiegel“-Umfragen 2010. Auch Helmut Schmidt macht sich Sorgen um Deutschland und die Deutschen – aus Prinzip, weil er seinen Landsleuten bekanntlich nicht traut, und aus Anlass der Tagespolitik. Helmut Schmidt will diese Fundamente sichern helfen – solange noch Zigaretten im Päckchen sind.
Dolchstöße und Disziplin – Helmut Schmidt in der Troika
Nie und nimmer könnte Mister Klartext alias Helmut Schmidt heute Bundeskanzler werden.
Schon damals in den Siebzigern war Helmut Schmidt, der Mann mit der großen Klappe, in seiner Partei schlecht gelitten – und für das Kanzleramt eigentlich nicht ausersehen. Kein SPD-Parteitag hätte ihn mit deutlicher Mehrheit zum Kanzlerkandidaten gekürt. Und es bleibt zweifelhaft, ob er als Kandidat eine Bundestagswahl gewonnen hätte – jene, die ihn 1976 im Amt bestätigte, fiel trotz des überdurchschnittlich guten SPD-Ergebnisses und trotz Kanzlerbonus denkbar knapp aus. Es bedurfte einer Spionage-Affäre und des Rücktritts seines Amtsvorgängers, um einen Unbequemen wie Helmut Schmidt ganz nach oben zu hieven.
Das sagt weniger über die Eignung von Helmut Schmidt für das Kanzleramt aus (sie war damals unstrittig), sondern stellt eher die Art der Rekrutierung von politischem Führungspersonal im Lande infrage.
Helmut Schmidt hat zwar stets mit politischen Mehrheiten regiert, aber nie mit solchen, wie sie die Genossinnen und Genossen in einer Parteitags-Halle bilden. Ein eigener Kopf wie er fischte sozusagen quer zum Parteienspektrum, band rechte SPD-Wähler, linke FDP-Wähler und linke Unions-Wähler an sich. Deshalb ist das hämische Wort der Union „Helmut Schmidt war der beste CDU-Kanzler, den die SPD je hatte“ so falsch nicht. Nicht nur, dass Helmut Schmidt nie über eine reguläre Wahlkandidatur Kanzler geworden wäre – er blieb es auch nur, weil die SPD keinen besseren Mann aufbieten konnte. Wie unentbehrlich der in der eigenen Partei wenig beliebte Schmidt war, wurde vollends nach seinem Abgang deutlich. Die SPD brachte erst wieder mit Gerhard Schröder eine charismatische Führungsfigur hervor, die sie zunächst – siehe seine parteiinterne Niederlage gegen RudolfScharping vor der Bundestagswahl 1994 – auch nicht gewollt hatte. Erst Gerhard Schröder konnte wieder aus vielen Teichen fischen – wie einst Helmut Schmidt – und eine Regierung mit komfortabler Mehrheit bilden.
Die notorische Konfliktsituation zwischen Helmut Schmidt und seiner Partei ist in der deutschen Nachkriegsgeschichte ohne Beispiel. Helmut Schmidt hat an dem Dauerzwist einen erheblichen Anteil. „Ich bin nicht vollkommen zufrieden mit meiner Partei“, zitierte er auf dem SPD-Parteitag 1975 in Mannheim den früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg, Max Brauer, „und die nicht mit mir. Aber ich finde keine bessere Partei, und die haben keinen Ersatz für mich.“ Und Schmidt ergänzt aus eigener Erinnerung an diesen: „Häufig genug haben wir uns über ihn geärgert – trotzdem haben wir ihm dann jedes Mal wieder unsere Stimme gegeben, weil wir ihn insgesamt eben doch hoch über alle anderen schätzen und weil wir ihn einfach nicht entbehren konnten.“
Helmut Schmidt pflegt gern über andere zu schreiben und dabei nicht weniger sich selbst zu meinen. Es gibt keine bessere Beschreibung für die herzliche Feindschaft zwischen Teilen seiner Partei und ihm.
Beim Mannheimer Parteitag 1975 ist Helmut Schmidt bereits Bundeskanzler. Wie kam er in das Amt, wenn nicht über die Partei und die Wähler? Er verdankt es seiner Zugehörigkeit zur Troika, einem Dreigespann, das die SPD seit 1955 führte.
In diesem Jahr, nach der Hälfte der zweiten Legislaturperiode, werden Carlo Schmid, Fritz Erler und Herbert Wehner stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Bundestag. Dieser Dreierbund wird das „Triumvirat“ genannt, er ist ein Vorläufer der „Troika“. Die drei Männer eint der Wunsch, die Partei „unterhalb“ des Vorsitzenden Erich Ollenhauer zu modernisieren. Die Ergebnisse der SPD bei den ersten beiden Bundestagswahlen, 29,2 und 28,8 Prozent, sind völlig unbefriedigend! Gleichwohl herrscht in dieser Zeit noch ein
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