Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herder
Vom Netzwerk:
machen!
    Auch was eine „Blut, Schweiß und Tränen“-Rede angeht, glaubt Helmut Schmidt ein Beispiel geliefert zu haben. Seine erste Regierungserklärung als Bundeskanzler 1974 stimmte das Land und noch mehr die eigene Partei darauf ein, den Gürtel enger zu schnallen. In ihrem rigorosen Ton bleibt sie einmalig unter den Regierungserklärungen der aktuellen Amtsinhaberin und ihrer Vorgänger.
    Helmut Kohl und Gerhard Schröder haben in ihrer Amtszeit Politik gestaltet, sind aber dennoch hinter dem Anspruch, den Helmut Schmidt formuliert, zurückgeblieben. Helmut Schmidt baut darauf, dass Einzelne einmal – wie er es nennen würde – tapfer genug sein werden, die Hausaufgaben auch um den Preis einer lang währenden politischen Karriere zu machen. Die Kraft des Faktischen, so spekuliert er, wird vielleicht ihren Teil dazu beitragen. Bald schon ist das Rentensystem nicht mehr zu finanzieren. Die Kluft zwischen dem, was der Sozialstaat Deutschland leisten will, und dem, was er leisten kann, wird von Jahr zu Jahr größer. Manchmal müssen es die schwierigen Umstände einfordern, dass Politikerinnen und Politiker tapfer handeln.

„Ich habe keine Angst“ – der Bundeskanzlerpräsident
    Helmut Schmidt nimmt in der Bundesrepublik Deutschland ein Amt wahr, das in der Verfassung, dem „Grundgesetz“, nicht vorgesehen ist: Er ist der Bundeskanzlerpräsident.
    Ganz selbstverständlich kann er den Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler oder die Arbeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentieren, ohne dass jemand auf die Idee käme zu fragen: „Wieso mischt sich der alte Herr eigentlich noch ein?“
    Als Helmut Schmidt 90 wurde, hielt der damalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust die schon zitierte Laudatio. Ole von Beust fragte sich, weshalb das Fernsehen eine „Nostalgiewelle“ erfasst habe, mit Dokumentationen und Spielfilmen über das Wunder von Lengede oder das Wunder von Bern. Er deutet diesen Trend so, dass sich die Deutschen „eine bestimmte Form von Helden“ zurückwünschten. „Menschen, die entschieden haben, die über sich selbst hinausgewachsen sind, die eindeutig waren, die ein klares Koordinatensystem hatten, das auch nicht gewichen ist in Zeiten der Anfeindung und Schwierigkeiten, die sich selbst treu geblieben sind.“
    Zu diesen Helden zählt Ole von Beust „zu allervorderst“ Helmut Schmidt. Er habe sich zur Führung bekannt. Politik habe er nicht als eine Art fortgesetzten runden Tisch verstanden, sondern als Führung. „Sie haben das gemacht, was Sie für richtig hielten“, wendet er sich an Schmidt, „und haben dann, wenn es nicht mehr ging, auch die Konsequenzen gezogen.“
    Ole von Beust hätte auch sagen können: Helmut Schmidt hat, als er führende Ämter wahrnahm, Autorität und Stärke verkörpert. Er erfüllte die Sehnsucht der Deutschen nach einem „starken Mann“, die Sehnsucht nach einem aufgeklärten Despoten.
    Helmut Schmidt wird als einer der letzten Vertreter eines Politikertyps verehrt, der für ein inzwischen aus der Mode gekommenes Amtsverständnis steht. Helmut Schmidt hat ein politischesAmt noch als eine ihm übertragene Pflicht gesehen, als Bürde, an der er gelegentlich schwer trug. Er übte dieses Amt mit Leidenschaft aus, auch mit einer Freude an Macht, doch neben diesem Machtgebaren stand das Gefühl der Verantwortung für alle, die von seinem Handeln in diesem Amt betroffen waren. Das Amt galt als Auftrag auf Zeit, aber diese Zeit, das Amt verantwortlich auszuüben, wurde auch genutzt.
    „Zu dem Entschluss, einen Teil des Lebens der Politik zu widmen, gehört ein starkes moralisches Motiv“, sagte Helmut Schmidt 2010 zu Giovanni di Lorenzo, „inzwischen haben Jüngere die politische Führung übernommen, denen das moralische Motiv der Kriegsgeneration womöglich fehlt.“
    Nach dem Abtritt des politischen Urgesteins, das die alte Bundesrepublik in den sechziger und siebziger Jahren endgültig geformt hatte, nach dem Abtritt eines Willy Brandt, Herbert Wehner und Helmut Schmidt, aber auch von Rainer Barzel und Walter Scheel kam weniger spannendes Personal an die Schaltstellen der deutschen Politik: Helmut Kohl, Hans-Jochen Vogel oder Johannes Rau wirkten weder als Persönlichkeiten noch mit ihren Politik-Entwürfen als Erneuerer in ihren Ämtern. Das ist ihnen nicht vorzuhalten – nicht jede Politiker-Generation kann und muss aus schwierigen Charakterköpfen wie Herbert Wehner bestehen.
    Die erste spannende Politiker-Generation seit langer

Weitere Kostenlose Bücher