Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Auseinandersetzung mit der „bunten“Bewegung ging, eine klare Trennlinie gezogen. Die bunte Bewegung ist darüber zur grünen Partei erstarkt. Franz Müntefering erlaubte Bündnisse der SPD mit der Linken auf Landesebene, schloss aber eine Verbindung im Bund aus. Auch in diesem Fall wurde das Ziel, eine Protestbewegung in politischer Nähe zur SPD klein zu halten, verfehlt.
Helmut Schmidt selbst fand, das Erstarken der Linken hätte vermieden werden können, wäre man mit den Kommunisten der ehemaligen DDR nach 1990 großzügiger umgegangen. Bei diesem Thema sitzt er allerdings im Glashaus – eine vergleichbare Toleranz mit den frühen Grünen hat er Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre nicht gezeigt.
Als sich die Linke auch in westdeutschen Bundesländern etablierte und Andrea Ypsilanti in Hessen – entgegen ihrem Wahlversprechen – mit ihr gemeinsame Sache machen wollte, winkte der Weise aus Hamburg ab. Wer vorher sage, „mit dem auf keinen Fall“, müsse gefälligst dabei bleiben.
2007 nahm der letzte Raucher wieder einmal an einem SPD-Parteitag teil. Plötzlich stiegen in der riesigen Hamburger Messehalle Rauchzeichen auf, natürlich über dem Platz von Helmut Schmidt. In Ermangelung eines Aschenbechers – es herrschte selbstverständlich ein Rauchverbot – faltete er ein Papier zu einem Schiffchen und lud die Asche darin ab. Einer aus dem Journalistentross nahm das mit Asche gefüllte Schiffchen später mit und bewahrt es heute zuhause in einer Glasvitrine auf.
Schon einmal hatte Helmut Schmidt mit seiner Begabung, Papier kunstvoll zu falten, Schlagzeilen gemacht. Er baute die Manuskriptseite einer Willy-Brandt-Rede zu einem Papierflieger um.
Knapp dreißig Jahre nach Helmut Schmidts Ausscheiden aus dem Kanzleramt ist sein Politikverständnis in der SPD noch quicklebendig. Die Parteirechte bringt immer wieder einflussreiche Figuren hervor. Der Einfluss mag je nach politischer Konstellation und nach der Person des Vorsitzenden schwanken, Sigmar Gabriel führt die SPD im Augenblick wieder etwas nach links. Die SPD bleibt aber heute und in der Zukunft bei ihrem historischangelegten Zielkonflikt, einerseits eine Partei mit programmatischem Anspruch zu sein, die eine Gesellschaft nach ihren Maßstäben entwickelt, andererseits aber immer für so viele Menschen wählbar zu bleiben, dass es für eine Regierungsbeteiligung oder gar einen SPD-Kanzler reicht.
Die SPD ist nicht untergegangen wie die „Titanic“, doch sie hat mehrere „Kapitäne“ verschlissen und fährt in schwerer See. Seit der letzten Bundestagswahl muss sie um nichts weniger als ihren Anspruch, Volkspartei zu sein, fürchten! Unabhängig davon, wie jemand zur Politik von SPD und CDU/CSU und ihren Führungspersönlichkeiten steht – zwei starke Volksparteien haben zur politischen Stabilität der alten und auch der neuen Bundesrepublik erheblich beigetragen.
Zwei immer schwächer werdende Volksparteien und neben einer kleinen Partei zwei weitere kleine – inzwischen ist die Übersichtlichkeit möglicher Regierungsbildungen dahin. Wenn die großen Parteien weiter Wählerinnen und Wähler verlieren, wird das politische Gefecht noch hitziger, jede Regierungskonstellation fragiler. Dann nimmt die Verdrossenheit über Politik weiter zu.
Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Helmut Schmidt in seinem Hamburger „Zeit“-Büro über die gegenwärtige Politik im Allgemeinen und die Lage der SPD im Besonderen denkt: „Die Politiker machen Fehler um Fehler“, mag er im Stillen grummeln, „auch die in meiner Partei. Zum Glück bin ich zu alt, um mich noch einmal einzumischen.“
Was wäre sein Rezept? Seine Strategie? Nach Schmidts Überzeugung ist die Lage des Landes so ernst, dass die Politikerinnen und Politiker die Probleme nunmehr deutlich benennen und klare, wenngleich schwierige Entscheidungen treffen müssen – gleichgültig, aus welcher Partei sie kommen und welche Folgen das für sie persönlich hat. Sie müssen sich endlich an den Umbau des Sozialstaates machen. Sie müssen den Deutschen sehr viel Verzicht auf Leistungen zumuten, die ihnen über die Jahre selbstverständlich geworden sind. Sie haben das auch aus Verantwortung für kommende Generationen, die ein funktionierendes Staatswesen übernehmen sollen, zu tun.
„In jedem Land der Welt kommt es vor“, so Helmut Schmidt zu Giovanni di Lorenzo, „dass Entscheidungen notwendig sind, die den eigenen Wählern nicht einleuchten. Trotzdem muss
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