Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
ärgert sich bis heute, nicht den Parteivorsitz angestrebt zu haben, Gerhard Schröder musste ihn während seiner Kanzlerzeit wieder abgeben –, klingen diese Sätze erstaunlich aktuell.
Anders verhält es sich mit der CDU/CSU, die laut Haffner ihre Prägung durch Konrad Adenauer, der sie zu einem „Kanzlerwahlverein“formte, nie abgelegt hat. Sebastian Haffner hat daran nichts auszusetzen, „ein ‚Kanzlerwahlverein‘ ist genau das, was eine Partei in der Demokratie in erster Linie zu sein hat“. In der CDU/CSU haben die Häuptlinge mehr und die Indianer weniger zu sagen als in der SPD. Alle Erfolgserwartung richtet sich an die oder den Vorsitzenden oder/und an die Kanzlerin, den Kanzler, wenn die Union die Regierungschefin, den Regierungschef stellt. Deshalb hat in der Union der Königsmord Tradition. Wer nicht gewinnt, wird „abgesägt“.
In der SPD hat die programmatische Arbeit eine lange Tradition, in der CDU/CSU nicht. SPD-Programmarbeit lebt viel mehr als die der Unionsparteien aus der Spannung „zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll, zwischen der Wirklichkeit und dem Programm“, wie es Erhard Eppler auf dem Parteitag der SPD 2009 in Dresden sagte.
„Herzstärkungen“ hätte Helmut Schmidt auf Parteitagen, wären sie ihm zuteilgeworden, milde lächelnd angenommen (freilich ohne zu zeigen, dass er sie genießt). Aber er war ja nicht in der CDU. An der programmatischen Arbeit, die ja zugleich Überzeugungsarbeit ist, hatte er kein Interesse – er beteiligte sich daran vor allem aus Sorge, ohne ihn könnte es in die falsche Richtung gehen. Günter Bannas behauptet in einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Helmut Schmidt habe es unterlassen, den Dialog mit seiner Partei zu führen. „Er wollte durchsetzen, was er für richtig hielt.“
Helmut Schmidt selbst sagte im hohen Alter, er habe sich nie als einen Kanzler der SPD gesehen. Das war keine nachträgliche Distanzierung, sondern eine treffende Beschreibung seines Amtsverständnisses.
Helmut Schmidt war schon ein „Basta-Kanzler“, als es diesen Begriff noch gar nicht gab.
Der spätere Basta-Kanzler Gerhard Schröder, der so genannt wurde, weil er gern dieses saloppe Machtwort statt solider Überzeugungsarbeit einsetzte, war Helmut Schmidt fern und nah zugleich. Fern, weil er aus jener Parteijugend kam, die von Helmut Schmidt auf Parteitagen Anfang der siebziger Jahre „heruntergeputzt“wurde. Gerhard Schröder protestierte unter anderem gegen die Kernenergie-Politik des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.
Nah, weil sich Gerhard Schröder die Rhetorik und den Politikstil von Helmut Schmidt zum Vorbild nahm. Seine Forschheit im Auftritt und die Knappheit des Ausdrucks sind bei Schmidt abgeschaut. Auch das Amtsverständnis ähnelte dem des SPD-Amtsvorgängers: Gerhard Schröder sah sich ebenso wenig als Kanzler der SPD. Er verstand sich, wie schon Schmidt, mit Wirtschaftsführern genauso gut wie mit Gewerkschaftern.
Als Oskar Lafontaine den SPD-Vorsitz überraschend abgab, wollte Gerhard Schröder der Versuchung nicht widerstehen und übernahm das Amt selbst. Machttechnisch lag dieser Schritt nahe, doch widersprach er der traditionellen „Gewaltenteilung“ in der Partei. Mit dem Versuch, Willy Brandt und Helmut Schmidt in einem zu sein, verhob er sich. Bald setzte eine beispiellose Demontage innerhalb seiner Partei ein, die den Siegermythos von Gerhard Schröder zerstörte.
Der nächste starke Mann in der SPD, Franz Müntefering, erinnerte noch mehr an Helmut Schmidt. Er wirkte ernsthafter als Gerhard Schröder, er trug wie einst Helmut Schmidt sichtlich schwer an der politischen Verantwortung. Pragmatismus war ihm, wie einst Schmidt, wichtiger als Ideologie, die Tat wichtiger als die Vision, der Weg wichtiger als das Ziel. Er machte „klare Ansagen“, entschied allein oder im kleinen Kreis und stand für die getroffenen Entscheidungen ein. Seine Statements und Interviews waren prägnanter und überzeugender als die seiner politischen Zeitgenossen, weil er Klartext redete.
Doch in der Ära Müntefering war die SPD das kleinere Mitglied einer Großen Koalition, die traditionell dem größeren, weil die Kanzlerin stellenden Partner nützt. Überdies hatte die Partei in der zweiten Amtszeit des Parteivorsitzenden Müntefering die umstrittene Frage zu beantworten, wie sie es denn mit der Partei „Die Linke“ halte.
Historische Vergleiche drängen sich auf: Helmut Schmidt hatte einst, als es um die
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