Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Charlie war das Oberhaupt.«
Ich befragte Linda gerade nach den verschiedenen Anweisungen, die Manson den Mädchen gab, als zu meiner Überraschung Richter Older auf einmal Kanareks Einsprüchen stattgab. Daher bat ich, vortreten zu dürfen.
Der Laie geht davon aus, dass Beweise auf Basis von Hörensagen unzulässig sind. Tatsächlich existieren aber so viele Ausnahmen von der Regel über den grundsätzlichen Ausschluss aller Beweise vom Hörensagen, dass viele Anwälte meinen, das Gesetz solle eher besagen: »Hörensagen ist außer in den folgenden Fällen zulässig.« 75 Ich sagte zu Older: »Ich habe bei diesem Verfahren mit vielen rechtlichen Problemen gerechnet und dazu recherchiert – weil ich gerne den Advocatus Diaboli spiele –, aber ich hätte nie gedacht, dass ich Probleme bekomme, wenn ich Mansons Anweisungen gegenüber den Mitgliedern der Family aufzeige.«
Older gab zu, dass er den Einsprüchen nur deshalb stattgegeben habe, weil ihm keine Ausnahme zur Hörensagen-Regelung einfiel, die es rechtfertigen würde, solche Aussagen zuzulassen.
Dies war ein entscheidender Punkt. Denn falls Older entschied, dass solche Befragungen unzulässig seien, wäre es nicht mehr möglich, Mansons beherrschende Stellung in der Gruppe zu belegen, was unsere Beweislage gegen Manson schwächen würde.
Kurz danach vertagte sich das Gericht. Aaron, J. Miller Leavy und ich blieben in dieser Nacht lange auf, um nach Grundsatzentscheidungen zu suchen. Zum Glück fanden wir zwei Fälle – Strafsache Fratiano und Strafsache Stevens –, in denen das Gericht entschieden hatte, dass man die Verabredung zu einer kriminellen Handlung beweisen könne, indem man die Beziehung zwischen den Beteiligten aufzeige, und dies anhand wechselseitiger Äußerungen. Als wir die Fälle am nächsten Tag Richter Older vorlegten, hob er seinen Beschluss auf und wies Kanareks Einsprüche ab.
Als Nächstes kam der Widerstand aus einer völlig unerwarteten Richtung: von Aaron.
Linda hatte bereits ausgesagt, dass Manson die Mädchen angewiesen habe, mit den männlichen Besuchern zu schlafen, um sie zum Eintritt in die Family zu bewegen, als ich sie fragte: »Linda, wissen Sie, was eine Sexorgie ist?«
Kanarek erhob augenblicklich Einspruch, ebenso Hughes, der nahezu verräterisch formulierte: »Wir verhandeln hier nicht das Sexualleben dieser Leute, sondern das Mordleben dieser Leute.«
Nicht genug damit, dass die Anwälte der Verteidigung ihre Einsprüche brüllten und Older einigen von ihnen stattgab, beugte sich nun auch noch Aaron zu mir und sagte: »Können wir den Mist nicht streichen? Wir vergeuden nur unsere Zeit. Kommen wir lieber zu den beiden Mordnächten.«
»Hör zu, Aaron«, antwortete ich mit gedämpfter Stimme, »ich streite mich mit dem Richter herum, ich streite mich mit Kanarek herum, ich werde mich nicht auch noch mit dir herumstreiten. Ich habe genug Probleme. Das hier ist wichtig, und ich werde es zur Sprache bringen.«
Wie Linda schließlich, von Kanareks Einsprüchen unterbrochen, aussagte, entschied Manson, wann eine Orgie stattfinden sollte, wer daran teilnahm und wer nicht; und schließlich teilte Manson auch noch jedem seine Rolle zu. Von Anfang bis Ende war er sozusagen der Maestro, der das Ganze leitete.
Dass Manson bei seinen Anhängern selbst diesen intimsten und persönlichsten Aspekt unter Kontrolle hatte, war ein sehr aussagekräftiges Indiz für die Macht, die er innehatte.
Außerdem waren unter den etwas mehr als 20 Personen, die an dieser von Linda genannten Orgie teilgenommen hatten, auch Charles »Tex« Watson, Susan Atkins, Leslie Van Houten und Patricia Krenwinkel.
Die sexuellen Akte wurden nicht im Detail beschrieben, und ich fragte Linda auch nicht nach weiteren solchen »Gruppenbegegnungen«. Sobald deutlich geworden war, worum es uns dabei ging, wechselte ich zu anderen Themen – Helter Skelter, dem Krieg zwischen Schwarz und Weiß, Mansons Überzeugung, dass die Beatles mit ihm durch ihre Liedertexte kommunizierten, seiner Ankündigung am späten Nachmittag des 8. August 1969: »Helter Skelter ist gekommen.«
Die Los Angeles Times urteilte bei ihrer Darstellung von Linda Kasabians Auftritt im Zeugenstand, sie sei erstaunlich »abgeklärt, leise und geradezu betont zurückhaltend«.
Zuweilen war ihre Aussage auch sehr anrührend. Nachdem sie erzählt hatte, dass Manson die Mütter von ihren Kindern trennte, beschrieb sie ihre eigenen Gefühle, als sie von Tanya getrennt wurde. »Manchmal«,
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