Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
Mansons Anwesenheit schien er gar nicht zu registrieren. Bevor die Geschworenen hereinkamen, hatte Watson bereits Platz genommen und ging in der Zuschauermenge unter.
Fitzgerald: »Mr. DeCarlo, Sie haben zuvor ausgesagt, dass sich zu der Zeit, als Sie 1969 auf der Spahn Ranch waren, auch ein Mann namens Tex Watson dort aufhielt, ist das richtig?«
A: »Ja.«
F: »Sehen Sie Mr. Watson in diesem Gerichtssaal?«
A: »Natürlich, da drüben.« Danny zeigte in Tex Watsons Richtung. Die Geschworenen reckten neugierig die Hälse, um den Mann zu sehen, über den sie so viel gehört hatten.
Fitzgerald: »Darf ich diesen Herrn darum bitten, sich vorzustellen, Euer Ehren?«
Das hohe Gericht: »Erheben Sie sich, und nennen Sie Ihren Namen.«
Damit Watson aufstand, musste einer der Gerichtsdiener ein wenig nachhelfen, doch zum Sprechen war er nicht zu bewegen.
In dem Moment, als Watson sich erhob, war Fitzgeralds Fehler offensichtlich. Denn ein Blick genügte, um den Geschworenen zu zeigen, dass Charles »Tex« Watson nicht das Zeug dazu hatte, Charles Manson irgendetwas vorzuschreiben, geschweige denn von sich aus sieben Morde anzuzetteln. Er sah eher wie 20 als wie 25 aus. Kurzes Haar, blauer Blazer, graue Hose, Schlips. Statt des wild dreinblickenden Monsters auf dem Verbrecherfoto vom April 1969 – als Watson unter Drogeneinfluss stand – wirkte er hier wie ein adretter College-Student.
Solange er die Bühne nicht betreten hatte, konnte Watson zum schweren Jungen aufgebaut werden, doch sobald ihn die Geschworenen gesehen hatten, schien dies mehr als unglaubwürdig.
Seit unserer ersten Begegnung in Independence hatte ich mit Sandy und Squeaky Kontakt gehalten. Gelegentlich kamen beide oder auch nur eine von ihnen auf einen Plausch in mein Büro. Normalerweise nahm ich mir Zeit für ihre Besuche, denn einerseits versuchte ich immer noch zu verstehen, wieso sie – und die drei weiblichen Angeklagten – sich der Family angeschlossen hatten, andererseits hoffte ich auch, dass mich eine von ihnen warnen würde, falls ein weiterer Mord geplant würde. Denn sicherlich würde keine von beiden zur Polizei gehen, und ich wollte zumindest einen Kommunikationsweg offenhalten.
Dabei machte ich mir bei Sandy größere Hoffnungen als bei Squeaky. Letztere befand sich auf einem Machttrip, denn sie fungierte als Mansons inoffizielle Sprecherin und leitete in seiner Abwesenheit die Family. Daher war es eher unwahrscheinlich, dass sie irgendetwas tun würde, das ihren Status gefährden könnte. Sandy dagegen hatte sich, wie ich wusste, bei mehreren Gelegenheiten Mansons Wünschen widersetzt. Auch wenn es sich dabei vielleicht um kleine Rebellionen handelte – so war sie zum Beispiel zur Geburt ihres Babys ins Krankenhaus gegangen, statt mithilfe der Family zu Hause zu entbinden –, zeugten sie möglicherweise doch davon, dass sich hinter all den Phrasen ein zugänglicher, menschlicher Kern verbarg.
Bei ihrem ersten Besuch in meinem Büro vor zwei Monaten hatten wir über das Credo der Family gesprochen: Sandy hatte behauptet, es sei Frieden, ich hatte dagegengehalten, dass es Mord sei, und sie gefragt, wie sie damit zurechtkomme.
»In Vietnam werden jeden Tag Menschen ermordet«, hatte sie gekontert.
»Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, dass es sich in Vietnam um Morde handelt«, antwortete ich, »inwiefern würde das rechtfertigen, sieben weitere Menschen umzubringen?«
Während sie noch nach einer Antwort suchte, bat ich sie: »Sandy, wenn Sie wirklich an Frieden und Liebe glauben, dann möchte ich, dass Sie es auch beweisen. Wenn das nächste Mal auf der Spahn Ranch Mord in der Luft liegt, dann sollten Sie daran denken, dass andere Menschen genau wie Sie gerne leben. Und ich möchte, dass Sie als Mensch dann alles Erdenkliche tun, um einen Mord zu verhindern. Haben Sie mich verstanden?«
Sie antwortete leise: »Ja.«
Natürlich hatte ich gehofft, dass sie es ernst meinte, doch diese naive Hoffnung löste sich im Nichts auf, als ich im Gespräch mit Barbara Hoyt erfuhr, dass Sandy zu den Family-Mitgliedern gehörte, die sie zu der Reise nach Hawaii überredet hatten.
Als ich am Nachmittag des 18. das Gericht verließ, kamen Sandy und zwei männliche Gefolgsleute auf mich zu.
»Sandy, Sie haben mich sehr, sehr enttäuscht«, sagte ich zu ihr. »Sie waren auf der Spahn Ranch, als Barbaras Ermordung geplant wurde. Meiner Meinung nach wussten Sie ganz bestimmt, was passieren würde. Doch obwohl Barbara Ihre Freundin
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