Helter Skelter - Der Mordrausch des Charles Manson
erkennbaren Bestreben, sich das Image eines College-Jungen zu geben, kleidete sich Watson vor Gericht sehr konservativ – kurzes Haar, Hemd und Krawatte, blauer Blazer, Anzughose. Dennoch sah er irgendwie seltsam aus. Er hatte einen glasigen Blick, den er nie konzentriert auf etwas zu richten schien. Auf die vernichtende Aussage solcher Zeugen wie Linda Kasabian, Paul Watkins, Brooks Poston und Diane Lake zeigte er keinerlei Reaktion. Außerdem stand ihm immer der Mund ein wenig offen, sodass er den Anschein erweckte, geistig zurückgeblieben zu sein.
Als die Verteidigung ihn in den Zeugenstand rief, spielte Tex die Rolle von Mansons unterwürfigem Sklaven. Er gab zu, auf sechs der Tate-LaBianca-Opfer geschossen oder eingestochen zu haben, leugnete jedoch, Sharon Tate erstochen zu haben. Alles, was entweder für Planung oder Vorsätzlichkeit gesprochen hätte, schob er auf Manson oder die Mädchen.
Mein Kreuzverhör brachte Tex so aus der Fassung, dass er die Rolle des Idioten mehrmals vergaß. Als ich meine Vernehmung beendet hatte, war für die Geschworenen daher klar, dass er jetzt, wie vermutlich auch früher, im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten war. Ich entlockte ihm auch das Geständnis, dass er sehr wohl auf Sharon Tate eingestochen hatte, dass in seinen Augen die Opfer keine Menschen, sondern »einfach nur ein Klecks« waren, dass er Dr. Joel Fort gegenüber erklärt hatte, die Menschen im Haus von Tate seien »wie geköpfte Hühner herumgelaufen«, und dass er, als er diese Worte gewählt hatte, gelächelt habe. Schließlich widerlegte ich auch seine Darstellung, dass er nur ein von Charles Manson programmierter, gedankenloser Zombie sei. Am Ende zog ich zudem seine Behauptung, er empfinde inzwischen Reue, entschieden in Zweifel.
Watsons Aussage klärte einige bisherige Fragen auf:
Anders als der Beweissachverständige der Kripo L. A., DeWayne Wolfer, identifizierte Watson die rote Drahtzange, die in Mansons Strandbuggy gefunden worden war, als diejenige, mit der in der Nacht die Telefonkabel vor dem Tate-Anwesen zertrennt worden waren.
Zum ersten Mal erfuhren wir auch Mansons genaue Instruktionen, die er Watson in der Nacht der Morde im Haus am Cielo Drive gegeben hatte. Watson sagte aus: »Charlie war hinter einem Wagen, rief mich zu sich … und gab mir eine Schusswaffe sowie ein Messer. Er sagte, ich solle die Waffe und das Messer nehmen und da rauffahren, wo früher Terry Melcher gewohnt hat. Er sagte, ich solle jeden im Haus so grausam wie möglich töten. Ich glaube, er erwähnte auch, dass dort Filmstars lebten.«
Überdies gab Watson zu, beim Betreten des Hauses der LaBiancas bereits mit einem Messer bewaffnet gewesen zu sein.
Die größten Schwierigkeiten im gesamten Watson-Prozess bereiteten mir nicht die Beweise, die Verteidiger oder die Zeugen der Verteidigung, sondern der Richter Adolph Alexander, der mit dem Rechtsbeistand Sam Bubrick persönlich befreundet war.
Alexander begünstigte nicht nur in seinen Entscheidungen wiederholt die Verteidigung, sondern ging weit darüber hinaus. Während der Geschworenenvernehmung bemerkte er: »Viele von uns sind gegen die Todesstrafe.« Wenn Zeugen der Anklage aussagten, warf er ihnen skeptische, ungläubige Blicke zu, wurden dagegen Zeugen der Verteidigung aufgerufen, machte er sich eifrig Notizen. All dies geschah vor den Augen der Geschworenen. Überdies nahm er nicht selten die Zeugen der Anklage persönlich ins Kreuzverhör. Irgendwann hatte ich genug davon und bat, vortreten zu dürfen. Ich erinnerte Alexander daran, dass es sich hier um ein Geschworenengericht handelte und nicht der Richter allein entscheidungsbefugt sei und dass ich über die Art und Weise, wie er die Anklagezeugen ins Kreuzverhör nahm, sehr beunruhigt sei, da er bei den Geschworenen den Eindruck erwecke, dass er diesen Zeugen nicht glaube. Da ein Richter aber in den Augen von Geschworenen eine enorme Autorität besitze, könne sich dies für die Anklage als äußert nachteilig erweisen. Ich schlug ihm daher vor, eventuelle Fragen aufzuschreiben und an die Anwälte der Verteidigung weiterzugeben.
Zwar schränkte Alexander von da an seine Kreuzverhöre von Zeugen der Anklage ein, schaffte es aber weiterhin, mich immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Als sich die Geschworenen zur Beratung zurückzogen, ließ er nicht einmal die Beweisstücke ins Geschworenenzimmer bringen – normalerweise ein selbstverständlicher Vorgang –, ohne dass ich ihn ausdrücklich
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