Helvetias Traum vom Glück (German Edition)
diesem Mordfall ermittelst. Also, die politischen Verhältnisse sind im Wandel begriffen. Früher gab es klare Fronten, auf der einen Seite die Bürgerlichen, auf der anderen die Linken. Heute lösen sich diese Blöcke auf, die Grenzen sind fliessend. Jeder steigt sozusagen mit jedem ins Bett.»
«Dann spielt die EFP überhaupt keine Rolle im Konzert der Grossen.»
«Eben doch. Das darfst du nicht unterschätzen. Weller ist … war mit seinen Leuten ein Mehrheitsmacher.»
«Seine Wähler sind alles Rechtsradikale. Die EFP kann unmöglich plötzlich linke Politik unterstützen.»
«Peter Weller war ein grosser Stratege. In der letzten Woche verkündete er öffentlich, dass die EFP Sachentscheiden verpflichtet ist.»
«Was heisst denn das nun wieder?»
«Das bedeutet, dass die EFP einmal aufseiten der Linken, dann wieder aufseiten der Bürgerlichen steht. Je nach Thema. Die Botschaft ist bei meinen Parteifreunden angekommen, wie du siehst. Sie wählten ihn in der Hoffnung, dass sich Weller im richtigen Moment daran erinnert, wer ihn krönte. Damit besiegelten sie einen Pakt mit dem Teufel.»
«Der von kurzer Dauer war. Wer wird nachrücken?»
«Die momentane Situation ist echt spannend. Wahrscheinlich stellt die Partei Patrick Stolz als Kandidaten auf. Nur, der ist absolut nicht wählbar.»
«Weshalb?»
«Er ist extremer als extrem. Es klingt zwar brutal, doch für die schweizerische Politik ist der Tod von Weller ein Geschenk.»
«Ein Geschenk? Das verstehe ich nicht.»
«Ohne Weller ist diese Partei nichts wert. Glaub mir, die löst sich in null Komma nichts auf.»
«Und wer erbt die Sitze der EFP?»
«Die anderen bürgerlichen Parteien, aber erst bei der nächsten Wahl. Es sei denn, einige EFP-Nationalräte wechseln noch in dieser Legislaturperiode die Partei, was durchaus möglich ist.»
«Hast du ihn gewählt?»
«Nein! Wo denkst du hin?!»
«Man weiss ja nie bei euch Politikern … Für mich ist und bleibt die Politik ein Drecksgeschäft.»
«Ich liebe es, Töchterchen! Im Nationalrat zu sitzen und Politik zu machen, das ist mein Leben. Man muss eine Vision haben, man muss …»
«Schon gut, Paps. Lieber du als ich.»
«Jedem das Seine. Deinen Job möchte ich auch nicht. Immer auf der Jagd nach Verbrechern, Auge in Auge mit dem Bösen, ganz geschweige von der Gefahr. Übrigens, was läuft eigentlich so in Sachen Liebe? Werde ich bald Grossvater?»
«Das sage ich dir dann schon rechtzeitig.»
«Also ist da nichts los. Du wirst doch nicht eine alte, verhutzelte, frustrierte Schachtel?»
«Deine Sorgen möchte ich haben!»
Ferrari sah Nadine an, dass sie geweint hatte. Sie erzählte ihm emotionslos, wie es ihr ergangen war. Der Kommissär notierte sich auf einem Zettel «mit Christoph und Robert reden».
«Misch dich ja nicht ein. Ich bin selber gross.»
«Gut. Obwohl … es betrifft auch mich. Irgendwelche Idioten tuscheln vermutlich, dass wir ein Verhältnis haben. Was mich zwar ehrt, aber du weisst, wie sehr ich Gerüchte und Intrigen jeglicher Art hasse.» Ferraris Stirn legte sich in unzählige Falten. «Anstatt dumm in der Gegend rumzutratschen, sollten unsere geschätzten Kollegen lieber arbeiten. Dann gäbe es einige unaufgeklärte Fälle weniger. Ich bin dafür, dass du mit Christoph redest. Wir haben ihn nicht gezwungen, den Fall abzugeben. Dazu soll er gefälligst stehen. Und wehe ihm, wenn er selbst solchen verdammten Humbug in die Welt gesetzt hat …»
«Wenn du meinst», antwortete Nadine versöhnlich. Sie würde mit Christoph sprechen und hoffen, dass damit der Fall erledigt sei. Zumindest nahm sie es sich vor. «Übrigens, Noldi lässt dich grüssen. Wir waren zusammen essen.»
Immerhin! Noldi bemüht sich um seine Prinzessin. Er gibt alles! Ob das reicht? Lassen wir uns überraschen. Ferrari nahm den Obduktionsbericht von Nadines Schreibtisch.
«‹ … zwei Stiche mit grosser Wucht. Vermutlich handelt es sich bei der Tatwaffe um ein ganz normales Küchenmesser›», las er laut vor. «Na prima, so ein Messer findet sich in jedem Haushalt. Und wer noch keines hatte, besitzt bestimmt seit der Superpunkteaktion von Coop ein ganzes Set davon. So wie wir. An und für sich eine praktische Sache, aber mühsam, bis man die blöden Punkte zusammen hat.»
Ferrari wusste, wovon er sprach. Von Punkten des Anstosses, wie er sie nannte. Während Monika sie akribisch sammelte, für sich und ihre Freundinnen, und das waren nicht wenige, vergass er regelmässig beim Wochenendeinkauf,
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