[Henderson_Charles]_Todesfalle-Die_wahre_Geschicht(Bookos.org)
der Marine schon durch das Zielfernrohr auf seinem Gewehr und suchte nach seinem Ziel.
Er hatte die Entfernung richtig eingeschätzt - sein erfahrenes Auge bestätigte ihm, daß es siebenhundert Meter bis zum Weg waren. »Ich muß ihn kriegen, wenn er ruhig steht und mir entweder das Gesicht oder den Rücken zuwendet«, sagte sich Carlos. »Keine Kompromisse.« Er suchte nach Anzeichen für Wind - raschelnde Bäume, Rauch, der von den Kochfeuern neben den sandsackbewehrten Geschützstellungen weggetrieben wurde, schwankendes Gras zwischen ihm und seinem Ziel. Aber wichtiger war noch die Mirage, und er beobachtete sorgfältig, wie sie über der Erde tanzte und waberte und sich im Wind neigte.
Er konnte die Windgeschwindigkeit berechnen, indem er den Winkel der Mirage durch vier teilte. Wenn er diese Zahl bestimmt hatte, mußte er sie mit einem Hundertstel der Schußweite multiplizieren, in diesem Fall also mit sieben. Das Ergebnis wurde wiederum durch vier geteilt und ergab die Zahl von ›Klicks‹ an der Verstellschraube des Zielfernrohres bzw. Grad der Windabweichung.
Die Sonne stieg höher, dem Heckenschützen lief der Schweiß über die Wangen. Er hielt das Auge noch immer an das Okular des Fernrohrs geheftet, und jetzt brannte ihm die Sonne auf den Nacken, dörrte den Boden völlig aus und ließ das Gras in der Hitze welken.
Irgendwo hinter dem Bunkerkomplex war das Geräusch eines Automotors zu hören. Die weiß e Limousine bog um die Bunker herum und blieb kurz vor dem Gehweg stehen, auf den Carlos das Fadenkreuz des Zielfernrohrs gerichtet hielt. Der Fahrer wartete mit laufendem Motor.
»Jetzt ist es so weit«, sagte sich Carlos. »Pack fest zu. Gib gut acht.« Der General trat aus der Tür, Carlos legte das Zentrum des Fadenkreuzes auf das Profil des Mannes und wartete darauf, daß der Kommandeur sich ihm voll zuwandte.
Der tat das auch, aber als er sich umdrehte und ins Visier des Heckenschützen schaute, schob sich sein Adjutant dazwischen. »Blödmann! Weißt du nicht, daß Adjutanten sich immer links von ihrem General halten sollen? Aus dem Weg mit dir!«
Seit Sonnenaufgang hatte Hathcock seine Beobachtung der Umgebung ständig mit computergleicher Genauigkeit und Schnelligkeit verfeinert, er hatte das Licht abgeschätzt, die Feuchtigkeit, den leichten Wind, der in unregelmäßigen Abständen quer zu seiner Schußlinie blies. Jetzt bezog er die zunehmende Hitze mit ein und berechnete, um wie viel der Temperaturanstieg die Flugbahn seines Geschosses anheben würde, weil das Pulver dann schneller verbrannte. Auch die Dichte und Feuchtigkeit der Luft würden sich auf die Geschwindigkeit seines Geschosses auswirken, das Licht wiederum veränderte die Art, wie sich ihm sein Ziel darstellte.
Aufgrund dieser Schätzwerte beschloß er, das Fadenkreuz seines Zielfernrohrs auf die von ihm aus gesehen linke Brustseite des Generals zu richten, da der Wind das Geschoß zwanzig Zentimeter nach rechts abtreiben würde. Das grelle Sonnenlicht veranlaßte den Heckenschützen, die Brust des Mannes ziemlich weit oben anzuvisieren, aber nicht zu hoch, denn es konnte sein, daß die Hitze die Flugbahn des Geschosses ein paar Zentimeter nach oben verlagerte.
Die Gruppe der Offiziere, die mit dem General herausgekommen waren, entfernte sich nun zur Seite des Hauses hin.
Nur der alte Mann und sein jugendlicher Adjutant blieben übrig. Carlos wartete. Der junge Offizier nahm seinen Platz zur Linken seines Vorgesetzten ein. Hathcock sagte: »Jetzt stehenbleiben.« Beide Männer schienen zu gehorchen. Das Fadenkreuz des Heckenschützen lag jetzt direkt über dem Ziel.
Alle Grundsätze des Scharfschießens jagten Hathcock durch den Kopf: »Schön fest zupacken, auf das Fadenkreuz achten, den Abzug durchdrücken, auf den Rückstoß warten. Den Atem nicht zu lange anhalten, atmen und wieder entspannen, die natürliche Pause abwarten, auf das Fadenkreuz achten - drüüüüücken...«
Der Rückstoß fuhr ihm durch die Schulter. Er blinzelte. Der General lag flach auf dem Rücken. Aus der Brust des alten Offiziers sickerte Blut, seine Augen starrten leblos ins grelle Sonnenlicht.
Der Adjutant warf sich zu Boden und begann, auf eine sandsackbewehrte Geschützstellung zuzukriechen. Auch die anderen Offiziere, die ihren Kommandeur erst Sekunden zuvor verlassen hatten, rannten in Deckung.
Der Heckenschütze ließ sich in die flache Senke gleiten und begann sich flach auf dem Bauch ganz vorsichtig mit beiden Armen über den
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