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Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Titel: Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ida Ding
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weil …» Ich drehe mich um und denke wieder «Sperrgebiet», so leer gefegt ist mit einem Mal die ganze Ortsverschönerung. Und der Kraulfuß Fritzl tut recht geschäftig hinterm Tresen, als wäre der Laden voller Leute, dabei leben die Fische bestimmt schon ein zweites Mal. Ich bin also mit dem Jägerlateiner, wie er hinter vorgehaltener Hand im Dorf genannt wird, allein. Der versteht keinen Spaß. Dabei ist er überall Mitglied: im Trachtenverein, im Gartenbauverein, bei der Blasmusik. Sein Trompetensolo am zweiten Weihnachtsfeiertag aus dem ersten Stock vom Pfarrhaus raus ist legendär! Das muss man ihm lassen. Sogar Vorstand im Faschingsclub ist er. Nützt aber alles nichts. Null Humor hat der Bursche. Das war nicht immer so. Beim Ministrieren damals, da hat er noch lachen können, ab und zu immerhin, am meisten über andere. Freunde fürs Leben waren wir mal, als Buben, bis zu dem Augenblick, der alles veränderte. Seither blinkt es bei mir im Hirn, was hoffentlich nur ich mitkriege. Sein Malheur dagegen sieht jeder, auch er selbst, wenn er beim Rasieren in den Spiegel schaut.
    Er hasst mich, hat mich schon lange gehasst und hasst mich seit Anfang der Woche noch mehr, falls das überhaupt möglich ist. Letzten Sonntag hat sich ein Reh im Schafzaun erhängt, ist wohl im Dunkeln vor einem Auto geflohen und wollte über den festen Schafdrahtzaun springen, den ich auf unserer Wiese vorm Hof aufgespannt habe. Dabei ist es mit dem Kopf aber so dermaßen unglücklich in so ein Maschenquadrat geschlupft, und als es rauswollte, hat sich der Draht um seinen Hals gewickelt, dass das Tier erstickt ist. Am Morgen dachte ich, mir hat einer ein Plastikbambi hingesetzt, wie sie es im Wolfratshausener Märchenwald haben. So steif hockte es da. Lustig ist das nicht, das Reh hat mir auch leidgetan, aber der Jäger Wolfi ist Amok gelaufen. Der Wald hinter unserem Hof ist sein Revier. Er bestimmt, wer hier lebt und wer nicht. Für die Rehe, die es jeden Tag auf der Umgehungsstraße zerbröselt, oder die Wildsäue, die zwischen den S-Bahn-Gleisen Tango tanzen ist er ebenfalls zuständig. Ein Tierquäler bin ich mit meinem Verhau, so ein Zaun gehört verboten und meine ganze Domestizierung dazu, außerdem (und darauf wollte er vermutlich eigentlich hinaus), außerdem kostet so ein Reh hundert Euro, die er jetzt in den Wind schießen kann. Und das alles mit seiner schlechten Aussprache, Spuckebatzen flogen herum, als hätten sie den Stachusbrunnen aus München nach Pöcking verlegt. Aber ich lass mich freiwillig von ihm befeuchten, als Buße, auch wenn’s schwerfällt. Ich bin nämlich schuld an seinem Schiefmund, seiner schiefen Narbe zwischen Nase und Oberlippe, die ihn beim Reden behindert, trotz neuer Hollywoodbeißerchen. Warum musste er sich auch damals über meinen Vater lustig machen? Ich weiß noch genau, welche Gemeinheiten er losgelassen hat. Dass der Simon Halbritter vom anderen Ufer und deshalb abgehauen sei. Ich hab es zuerst wörtlich genommen, zur anderen Seeseite, nach Berg, Leoni, Aufkirchen, könnte ich locker hinradeln und ihn besuchen, hab ich mir gedacht. Aber dann dämmerte es mir, wie beim König Ludwig, so ein Ufer hat der Wolfi gemeint, also, dass mein Vater gar nicht auf Frauen steht und mit einem Mann zusammenlebt. Unsere ganze Familie sei nur Show gewesen, und er habe nur so lange noch Bauer gespielt, bis meine Brüder alt genug waren, den Hof zu übernehmen. Und ich hab gesagt, der Wolfi soll sein verdammtes Maul halten, sonst würde ich es ihm stopfen. Aber er hat nur gelacht. So richtig herzhaft, vielleicht zum allerletzten Mal in seinem Leben.
     
    Ein paar Stunden vor den Sommerferien, in der sechsten Klasse, hat die Lehrerin noch den Sexualkundeunterricht aus dem Lehrplan reingequetscht. Einen Stuhlkreis mussten wir machen, wie im Kindergarten. Dann hat sie ein Buch hochgehalten und Seite für Seite umgeblättert. In Schwarz-Weiß hat sie uns auf vergrößerten, körnig-unscharfen Fotos den Geschlechtsakt erklärt, und der Wolfi hat sich gemeldet und wollte wissen, wie das denn bei zwei Männern geht, wer da was wo reinstecken täte. Vorher wurde nur gekichert, aber jetzt, das war natürlich der Brüller.
    Er würde nicht für sich selbst fragen, sondern für mich und meinen Vater, hat er grinsend hinzugefügt.
    Die Lehrerin hat nicht weitergewusst, mich angeglotzt, als säße ich nackert da, dann auf die Uhr geschaut und gesagt, für Fragen wäre heute keine Zeit mehr, weil wir jetzt zum

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