Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
Ja, klingle nur, klingle. Dann ist es endlich still. Mäuschenstill. Auch der Anrufbeantworter schaltet sich nicht ein.
Nichts als den Schlag von meinem geschundenen Herz höre ich, wenigstens das hat den Geist noch nicht aufgegeben. Was, wenn was passiert ist? In mir läuft’s weiter, sosehr ich mich auch tot stellen will. Wenn das am Telefon die Emma oder der Emil oder die Sophie war? Oder wenn was mit dem Fidl ist? Wo steckt der Emil überhaupt? Die Schule ist längst aus. Etwa wieder beim Bene? Ich setze mich auf. Wenn er heimkommt, muss ich ihm was zu essen machen und mir auch. Ich streiche mir über den Magen, die Butterbrezen sind schon längst verdaut. Mama, lass mich endlich in Ruhe, ich bin nicht mehr dein Bubi. Ich muss mich um meine Familie kümmern, schnurz, was an der Hauswand steht! Als Erstes rufe ich jetzt meine Sophie an. Das Telefon liegt wie üblich im Bad, in der Ersatzklorolle. Ich reiße das Papier mit raus, es wickelt sich um meinen Arm, wie ich auf die eingespeicherte Nummer von Sophies Handy drücke. Ich setz mich auf den Wannenrand und lasse es läuten. Die Mailbox springt an. Was soll ich eigentlich sagen? Ich lege auf. Eigentlich will ich sie ja nur fragen, was sie gerade macht und wer sie abgeholt hat, ohne dass sie merkt, dass ich innerlich flehe, dass es nicht der Jägergendarm war. Ich muss es versuchen. Ich drücke auf Wahlwiederholung und setze erneut an, hole Luft. Schnell tippe ich auf die rote Taste. Mist, jetzt gehen mir schon die Worte bei meiner eigenen Frau aus.
Ich höre die Mama kichern, ich hab’s dir doch gesagt, Muck, diese Künstlertochter, die zieht dir noch die Hosen aus! Nichts da, ich trage Hosen, sogar mehrere übereinander, und überdies bin ich nicht mehr dein Braver. Zum Trotz wähle ich erneut die Nummer und plappere sofort los: «Äh, ja also ja ich bin’s, dein Mann und ja, äh, also, ich wollte dir sagen, dass ich dich …»
«Muggerl, endlich. X-mal habe ich schon versucht bei dir anzurufen, ich hab schon geglaubt, ich erreiche dich nie.» Meine Allerliebste. Im Hintergrund höre ich Remmidemmi. Vergnügt sie sich ohne mich? Wer ist denn bei ihr, hoffentlich nicht …? Sofort grummelt es wieder in mir, dabei dachte ich vor wenigen Sekunden noch, mich würde nichts mehr jucken.
«Ich bin auf dem Frühlingsfest. Warte, ich geh mal zwischen die Zelte, wo’s ruhiger ist. So, jetzt höre ich dich besser. Sag mal was.»
«Äh, ja, also …»
Sie lacht. «Schön, deine Stimme zu hören. Du hast mir mit dem Schmarrn, den du gemacht hast, so weitergeholfen, du glaubst es gar nicht.»
«Echt?» Meine Frau hat für mich das Licht am Horizont wieder angeknipst. Ich raffe mich auf, schaue schon viel weniger grantig in den Spiegel, mit Wasser tupfe ich mir die restlichen Sorgenfalten glatt. Mehr als ein paar Tropfen kommen aus den Leitungen im Badezimmer sowieso nicht raus, die gehören längst entkalkt. Der Wasserhahn im Waschbecken spritzt überall hin, nur nicht senkrecht nach unten.
«Eigentlich darf ich nichts sagen, aber wem sonst, wenn nicht dir? Und ich muss es loswerden, sonst platze ich. Hör zu. Die Kollegen von der Drogenfahndung haben hier eine Razzia gemacht, nachdem sie von einem Informanten einen Tipp gekriegt haben. Angeblich soll das Crystal Speed über eine Süßwarenkette vertrieben werden. Klingt logisch. Zuckerwatte fürs Kind, Crystal für die Mutti. Müssen nicht immer nur Klunker zum Umhängen sein. War aber Fehlanzeige. Entweder war der Informant unzuverlässig, oder die
Bavariazuckerl
sind gewarnt worden und haben alles verschwinden lassen. Das war eine Heidenarbeit für die Einsatztruppe, in dem Gewühle jedes Lebkuchenherz auf den Ständen einzeln umzudrehen. Aber jetzt kommt’s.»
Ich lausche gespannt, zupfe einen Rest Klopapier weg, der zwischen meinen Fingern und dem Telefon klebt.
«Der Schubert hat mich doch angerufen, als du den Traktor geholt hast, und mir von der Razzia erzählt. Die ganze Zeit habe ich ihn schmatzen hören, von dem Frust kriegt er immer einen saumäßigen Kohldampf, sagt er. Und wie ich ihn frag, was er gerade isst, na, was glaubst, was er gesagt hat?»
«Ein zerbrochenes Lebkuchenherz vielleicht?»
«Nein, ein Hendl. Kapierst du, auf was ich rauswill?»
«Dass der Schubert kein Vegetarier ist, nehme ich an?» Mehr fällt mir auf Anhieb nicht ein. Meine Leitungen sind noch eingerostet, von der Heulerei in mich rein.
«Was ist mit dir, Muck? Du klingst so komisch.»
«Äääh.» Ich räuspere
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