Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
dieser Wandmalerei jetzt nicht nehmen. Die Fassade gehört zwar längst wieder mal gestrichen, aber nicht heute und auch nicht knallrot. Der Schreiberling will wohl kaum die Freveltat an meinen Fuggern anprangern. An dem Schreibfehler werde ich ihn kaum entlarven können, da gibt’s viele, mich selbst eingeschlossen, die sich mit dem Schreiben schwertun.
Aber was fasele ich über Rechtschreibung. Was da steht, ist entscheidend, nicht wie. Kreuzsacklzement, so eine elende Sauerei! Ich soll also den Wickerl auf Spieße gefädelt haben? Dabei hab ich noch gedacht, schlimmer als die Ächtung beim Bäcker kann es nicht kommen. In meinem Schädel rumort es, Blinken und Knarzen gleichzeitig. Mir wird plötzlich kotzübel. Ich schleppe mich ins Haus. In der Küche sind noch die Vorhänge zu, als ich sie aufziehe, stoße ich an meine Zettelwirtschaft und bleibe am Kabel der Heizdecke hängen. Fast gelingt es mir, die drei Eier noch aufzufangen, dann schlagen sie auf der Eckbank auf, die Schalen zerspringen, nur noch Dotterbatz schwimmt in meinen Händen. Schnell halte ich eine Müslischüssel, die noch am Tisch steht, unter und fange den Rest auf. Aus. Alles ist dahin. Endgültig ist es vorbei mit den Fuggern, für immer. Zum Heulen, wenn in meiner Wut nicht alle Tränen verdampft wären. So viel Pech auf einmal.
Niemals hätte ich das von meinen Ortskumpeln, von meinen Heimatleidensgenossen gedacht. Meine Knochen haben sich in Sülze verwandelt, ich eiere durch den Flur, die Treppe hoch. Mein Spiegelbild kann ich kaum ertragen, als ich es endlich nach oben geschafft habe und mir die klebrigen Eigelb-Hände in der Badestube wasche. Glauben die Pöckinger wirklich, dass ich wen abmurksen könnte? Es sogar schon getan habe? Wo ich doch Gewalt verabscheue wie der Teufel das Putzwasser. Seit meine älteren Brüder unseren Vater vor die Tür gesetzt haben, hab ich mir geschworen, nie jemandem etwas anzutun (den Jäger Wolfi natürlich ausgenommen). Sogar meine Schafe locke ich mit Äpfeln zur Schlachtbank, begleite sie auf dem letzten Weg, sodass sie hoffentlich nichts merken, bis der tödliche Bolzenschussschlag vom Metzger sie trifft. Was gäbe ich jetzt für einen Apfel und jemanden, der mir eins überbrät. Mich auslöscht, pling! Ich soll ein Leben genommen haben? Ich? Schnipp schnapp weg. Im Gegenteil,
sie
haben mir die Lebenswurzeln gekappt. Jawohl. Im Schlafzimmer stürze ich aufs Bett. Staub wirbelt auf, ich huste, vergrabe meine Nase in Sophies Kopfkissen und sauge ihren Duft ein. Abgestempelt, verurteilt als Mörder, Schreibweise egal. Wie kann die Welt so ungerecht sein? Na ja, das wusste ich vorher. Besonders gerecht geht es nirgends zu. Also noch mal, wie kann die Welt so ungerecht zu
mir
sein? Zu dem, der sich von Herzen, von tiefster anerzogener Hilfsbereitschaft bemüht, jedem beizustehen. Mir kitzelt es im Ohr von dem ganzen Dunst, mit dem ich mich selbst beweihräuchere. Ich streife die Socken ab und schlüpfe ins Bett, ziehe die Decke bis zum Kinn. Wie meine Mama lieg ich da, so hat sie es oft gemacht, wenn wir Buben sie bis zum Äußersten gereizt haben und sie nicht mehr weiterwusste. Dann bettete sie sich mit Gebeten ins Ehebett, auf der leeren Seite war das Foto von meinem Papa aufgestellt. Mit gefalteten Händen, geschlossenen Augen, rührte sie sich nicht, egal wie fest ich als Bub an ihr zupfte und rüttelte, als hätten wir sie mit unseren Streichen bereits ins Grab gebracht. Nach einer Weile ist ihr höchstens noch ein Pfurz ausgekommen, ein quietschender Damenschoaß, wie wenn du das Ende eines Luftballons auseinanderziehst. Und wenn schon meine großen Brüder die Mama so gebeutelt haben, wollte ich der Brave sein. Wie hab ich an sie hinreden müssen, sogar sämtliche mir bekannten Gebete runtergerasselt. Erst als ich ihr versprochen hab, dass wenigstens ich keine Dummheiten mache, hat sie wieder die Augen geöffnet. Sie war doch schon genug gebeutelt, wegen dem Papa und den Leuten im Dorf, die so blöd daherredeten. Nun aber hat mich diese verdammte Gutheit als Verbrecher gebrandmarkt. Und das nur, weil ich der Sophie helfen wollte.
Mama, wo bist du jetzt, sonst spukst du doch auch herum und strickst meine Träume. Am liebsten würde ich mich eigenhändig eingraben wie in dem Zauntraum. Wenn ich meine schmutzigen Zehennägel so anschaue, dann hab ich schon etwas in der Erde gebuddelt. Das Telefon läutet, soll es doch. Ich bin zu schwach, um aufzustehen, ein sterbender, bettlägriger Gummibaum.
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